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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras
Autoren: Colleen McCullough
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hast.«
    Aurelia dachte einen Augenblick nach und sah ihm dann in die Augen. »Sage nichts, Lucius Cornelius, und unternehme nichts. Warte, bis Marcus Aemilius Scaurus zu dir kommt. So wirkst du am unschuldigsten. Aber sorge dafür, daß er keinerlei Beweise für die Untreue seiner Frau findet, auch keine indirekten. Verbiete deiner Frau, das Haus zu verlassen, wenn du zu Hause bist — für den Fall, daß Delmatica einen deiner Sklaven besticht, sie einzulassen. Das Problem ist, daß du Frauen weder verstehst noch besonders magst. Deshalb weißt du nicht, wie du ihren Schlichen begegnen kannst, und fällst auf sie herein. Ihr Mann muß zu dir kommen. Sei freundlich zu ihm, ich bitte dich! Er ist ein alter Mann mit einer jungen Frau: Der Besuch wird ihm schwerfallen. Daß seine Frau ihn nicht betrogen hat, hat er nur deinem Desinteresse zu verdanken. Deshalb mußt du alles Erdenkliche tun, um seinen Stolz nicht zu verletzen. Bedenke, daß ihm an Macht und Einfluß nur Gaius Marius gleichkommt.« Sie lächelte. »Diesen Vergleich würde er zwar zurückweisen, aber er stimmt. Wenn du Prätor werden willst, kannst du dir nicht leisten, ihn zu verletzen.«
    Sulla beherzigte Aurelias Rat, aber leider nicht vollständig. Er machte sich einen schlimmen Feind, weil er kein Mitgefühl zeigte und Scaurus nicht half, das Gesicht zu wahren.
    Nach dem Gespräch mit Aurelia geschah zunächst sechzehn Tage lang nichts, außer daß Sulla nun nach Scaurus’ Aufpassern Ausschau hielt und alles vermied, was Scaurus als Hinweis auf die Untreue seiner Frau auslegen konnte. Sulla fiel auf, daß sich Scaurus’ Freunde und seine eigenen Bekannten grinsend verstohlene Blicke zuwarfen; das war sicher nichts Neues, aber bisher hatte er es nicht bemerkt.
    Das Schlimmste war, daß er Delmatica immer noch begehrte — oder liebte — oder von ihr besessen war — oder alles zusammen. Es war wie bei Julilla. Der Schmerz, der Haß und das Verlangen, jeden zusammenzuschlagen, der ihm über den Weg lief. Von einem Traum, in dem er mit Delmatica schlief, konnte er übergangslos in einen anderen Traum hinübergleiten, in dem er ihr den Hals brach und zusah, wie sie mit verrückten Zuckungen über ein vom Mond beschienenes Rasenstück in Circei tanzte — nein, nein, so hatte er seine Stiefmutter umgebracht! Immer öfter öffnete er das Geheimfach des Schreines, in dem die Maske seines Vorfahren Publius Cornelius Sulla Rufinus, des, Jupiterpriesters ruhte, nahm die Giftfläschchen und die Schachtel heraus, die das weiße Pulver enthielt — damit hatte er Lucius Gavius Stichus und den Muskelprotz Hercules Atlas umgebracht. Pilze? Mit ihnen hatte er seine Geliebte umgebracht — iß diese Pilze, Delmatica!
    Aber seit dem Tod Julillas war viel Zeit vergangen. Sulla war erfahrener geworden und kannte sich selbst besser. Er konnte Delmatica genausowenig töten, wie er Julilla hatte töten können. Bei Frauen aus altem Patriziergeschlecht gab es keine andere Möglichkeit, als die Sache bis zum bitteren Schluß auszusitzen. Eines fernen Tages würden er und Caecilia Metella Delmatica beenden, was er in diesem Augenblick nicht anzufangen wagte.
    Dann endlich klopfte Marcus Aemilius Scaurus an seine Tür. Der zähe Alte nahm auf Sullas Klientenstuhl Platz und blickte mit seinen wachen grünen Augen, die seinen kahlen Schädel und sein faltiges Gesicht Lügen straften, verdrossen in die freundliche Miene seines Gastgebers. Hätte er doch nur zu Hause bleiben können, statt seinen Stolz überwinden und diese vollkommen absurde Situation durchstehen zu müssen!
    »Wahrscheinlich weißt du, warum ich hier bin, Lucius Cornelius«, sagte Scaurus mit erhobenem Kopf, die Augen gerade auf sein Gegenüber gerichtet.
    »Ich glaube ja«, antwortete Sulla nur.
    »Ich bin gekommen, um mich für das Betragen meiner Frau zu entschuldigen und dir zu versichern, daß ich nach diesem Gespräch sogleich dafür sorgen werde, daß meine Frau dich nicht weiterhin belästigt.« Da! Es war draußen. Und er lebte noch und war nicht vor Scham gestorben. Aber in Sullas ruhigem, sachlichen Blick glaubte er eine Spur von Verachtung zu entdecken. Einbildung, vielleicht, aber das war es, was Scaurus zu Sullas Feind machte.
    »Es tut mir sehr leid, Marcus Aemilius.« Sag was, Sulla! Mach es dem alten Narren leichter! Laß ihn nicht so dasitzen, vor den Scherben seines Stolzes! Denk an das, was Aurelia sagte! Aber die Worte wollten nicht kommen. Sie wirbelten bruchstückhaft durch seinen
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