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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras
Autoren: Colleen McCullough
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nicht zu den sechs erfolgreichen Kandidaten. Und damit nicht genug: Einige der Männer, die Sulla vorgezogen worden waren und lediglich mittelmäßige Leistungen vorweisen konnten, hatten nicht einmal patrizische Vorfahren.
    Warum diese Niederlage? Das war unmittelbar nach dem Wahltag die einzig brennende Frage, die Sullas Anhänger beschäftigte. Er selbst äußerte sich nicht, obwohl er die Antwort kannte. Ein wenig später erfuhren auch Rutilius Rufus und Marius, was Sulla schon wußte. Der Grund für seine Niederlage hatte einen Namen und war körperlich nicht besonders groß: Caecilia Metella Delmatica, die gerade neunzehn Jahre alte Frau des Senatsältesten Marcus Aemilius Scaurus, der Konsul gewesen war, als die Germanen zum ersten Mal aufgetaucht waren, Zensor, als Metellus Numidicus Schweinebacke nach Afrika in den Kampf gegen Jugurtha gezogen war, und Senatsvorsitzender seit seiner Zeit als Konsul, die nun schon neunzehn Jahre zurücklag. Eigentlich war Delmatica vertraglich dem Sohn des Scaurus versprochen worden, aber dieser, ein erklärter Feigling, hatte sich nach dem Rückzug Catulus Caesars aus Tridentum das Leben genommen. Und Metellus Numidicus Schweinebacke, verantwortlich für seine siebzehnjährige Nichte, hatte sie prompt Scaurus selbst zur Frau gegeben, obwohl sie vierzig Jahre jünger als ihr Ehemann war.
    Natürlich hatte niemand Delmatica gefragt, was sie von dieser Vereinigung hielt, und zuerst hatte sie es nicht einmal selbst gewußt. Geblendet von der enormen auctoritas und dignitas ihres Mannes, war sie außerdem froh, dem stürmischen Haushalt ihres Onkels Metellus Numidicus entrinnen zu können. Dort wohnte zu diesem Zeitpunkt auch dessen Schwester, eine Frau, deren sexuelle Neigungen und hysterisches Benehmen das Zusammenleben mit ihr zu einer Qual machten. Von Scaurus wurde Delmatica dann sofort schwanger (was zu einer weiteren Steigerung seiner auctoritas und dignitas führte), und neun Monate später gebar sie ihm eine Tochter. Inzwischen hatte sie freilich bei einem von ihrem Mann gegebenen Abendessen Sulla kennengelernt, und die beiden fühlten sich mit schmerzhafter Heftigkeit zueinander hingezogen.
    Sulla war sich der Gefahr bewußt, die Scaurus’ junge Frau für ihn bedeutete, und unternahm nichts, die Bekanntschaft mit ihr zu vertiefen. Ganz anders Delmatica. Sie wartete, bis die Leichname des Saturninus und seiner Freunde mit all der Ehre verbrannt worden waren, die ihnen als noch nicht verurteilte römische Bürger zukam, und bis Sulla begann, sich im Rahmen seines Wahlkampfes für die Prätur auf dem Forum und in der Stadt bekannt zu machen. Dann lenkte auch sie ihre Schritte immer häufiger auf das Forum und in die Stadt. Wo immer Sulla sich aufhielt, war auch Delmatica in der Nähe, hinter einem Sockel oder einer Säule verborgen und das Gesicht verhüllt, damit niemand sie erkannte.
    Sulla lernte schnell, Orte wie den Porticus Margaritaria zu meiden, wo eine Frau aus patrizischer Familie nicht weiter auffiel, weil es dort viele Juweliergeschäfte gab. So hatte Delmatica zwar selten Gelegenheit, mit ihm zu sprechen, aber für Sulla bedeutete ihr Verhalten eine Wiederbelebung eines alten, schrecklichen Alptraums vergangener Zeit; damals hatte Julilla ihn unter einer Lawine aus Liebesbriefen begraben, die sie oder ihr Mädchen ihm immer dann in die Falten seiner Toga schoben, wenn er nicht wagte, sich dagegen zu wehren, weil er kein Aufsehen erregen wollte. Das Ganze hatte in einer confarreatio geendet, einer praktisch unauflösbaren, offiziell geschlossenen Ehe, die mit all ihrer Bitterkeit, ihren Anfechtungen und ihrer Demütigung bis zu Julillas Selbstmord gedauert hatte — eine weitere schreckliche Episode der zahlreichen Begegnungen Sullas mit Frauen, die danach trachteten, ihn zu zähmen.
    Also suchte Sulla die schäbigen, stinkenden und überfüllten Gassen der Subura auf und vertraute sich der einzigen Freundin an, die den Abstand zu ihm wahren konnte, den er im Augenblick so verzweifelt brauchte — Aurelia, der Schwägerin seiner toten Frau Julilla.
    »Was soll ich tun?« rief er. »Ich sitze in der Falle, Aurelia, es ist genau wie bei Julilla! Ich werde sie nicht los!«
    »Das Problem ist, daß diese Weiber so wenig zu tun haben«, sagte Aurelia grimmig. »Kindermädchen für die Kleinen, kleine Feste mit Freundinnen, die sich nur durch die Menge an Tratsch unterscheiden, den sie verbreiten, Webstühle, die sie nicht anzurühren gedenken, und Köpfe, die zu
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