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Moorseelen

Moorseelen

Titel: Moorseelen
Autoren: Heike Eva Schmidt
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Mundwinkel zuckten. Diese Runde ging eindeutig an Zeno.
    Nick zuckte nur verächtlich die Schultern und wandte sich demonstrativ von Zeno ab und mir zu. »It’s Falafel-Time, oder?«
    »Nö, danke. Keinen Hunger«, erwiderte ich kurz angebunden. Ich verspürte wenig Lust, mit Nick abzuziehen. Für meinen Geschmack tat er etwas zu besitzergreifend. Natürlich bemerkte er mein Zögern und versuchte nun erst recht, cool zu wirken.
    »Okay, dann spendier ich dir eben ’n Bier!« Er war echt hartnäckig.
    »Danke, ich nehme lieber das Geld!«, gab ich genervt zurück.
    Es dauerte ungefähr fünf Sekunden, bis Nick kapierte. Dann verfinsterte sich seine Miene und ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und rauschte ab. Sein steifer Rücken und die großen Schritte waren ein einziger Vorwurf an so eine Zicke wie mich. Ob Zeno mich auch so sah? Aus den Augenwinkeln lugte ich zu ihm hin – und landete direkt in seinem breiten Grinsen, das wieder die Zahnlücke blitzen ließ. Ich schnitt eine Grimasse.
    »Das war Notwehr«, rechtfertigte ich mich.
    Er musterte mich, prüfte vielleicht, ob ich eine Antwort verdiente, ehe er unvermittelt erklärte: »Zeno bedeutet übrigens ›Geschenk Gottes‹.«
    »Halten sich da nicht alle Männer für?«, rutschte es mir heraus.
    Einen Moment lang starrte Zeno mich an – nun war
er
sprachlos. Ich hätte mir am liebsten die Lippen zugenäht. Wieso konnte ich nur meine vorlaute Klappe nicht halten? Da lernte ich einmal einen interessanten, gut aussehenden Typen kennen und hatte nichts Besseres zu tun, als ihn mit einem blöden Spruch bereits nach fünf Minuten zu verprellen.
    Zenos Augen verengten sich, er öffnete den Mund – und begann schallend zu lachen. Warm und tief stieg das Gelächter direkt aus seinem Bauch auf und war so ansteckend, dass ich unwillkürlich ebenfalls loskicherte. Die anderen Leute aus seiner Clique, der Park, der Lärm – alles schien in den Hintergrund zu treten, zu verschwimmen, sich aufzulösen. In diesem Moment zählten nur wir beide und unser gemeinsames Lachen. Ich war nicht mehr das traurige Mädchen mit einem Rucksack voller Probleme – ich war die schlagfertige, fröhliche Feline, die es schon lange nicht mehr gegeben hatte. Plötzlich fühlte ich mich leicht und schwebend – eine schillernde Seifenblase, die gleich vom Boden abheben würde.
    Da bemerkte ich Zeno, der zu lachen aufgehört hatte und mich wortlos betrachtete. Spöttisch? Amüsiert? Interessiert? Jedenfalls sorgte sein Blick dafür, dass mein Magen einen komischen Hüpfer machte, als ob ich gerade auf Skiern über eine kleine Sprungschanze fliegen würde. Ich guckte ihn an. Ruhig und selbstsicher, ohne zu zwinkern, erwiderte er meinen Blick. Schließlich musste ich wegsehen, weil mich seine Scheinwerferaugen aus der Fassung brachten. Er schien direkt in meine Seele zu sehen. Eine ungewohnte Schüchternheit überkam mich und ich spürte meine Ohren heiß werden. Sicher würde als Nächstes mein ganzes Gesicht in einem hellen Campari-Ton leuchten. Noch nie hatte mich jemand so schnell und so gründlich aus der Fassung gebracht wie Zeno mit den Karamellaugen. Auf einmal fühlte ich mich nicht mehr leicht und schillernd, sondern klein und unscheinbar. Was hatte ich schon zu bieten? Ich wollte nur noch weg.
    »Äh, also, ich muss dann mal wieder«, stotterte ich und traute mich nicht, ihn noch einmal anzublicken. Stattdessen schüttelte ich in einer Übersprungshandlung der verdutzten Mia die Hand. »Ciao und danke für das schöne Armband«, sagte ich. Mia nickte nur, wandte sich ab und blickte zu den anderen hin, die in einiger Entfernung im Gras saßen und wieder zu trommeln begonnen hatten, diesmal allerdings leiser als vorhin. Ich wandte mich um. »Mach’s gut«, nuschelte ich in Zenos Richtung. Mit einem kaum wahrnehmbaren Heben der Mundwinkel streckte er mir seine Hand hin. Wollte er mich nachäffen oder meinte er es ernst? Roboterhaft ruckte meine Hand vor. So steif und verkrampft wirkte wahrscheinlich sonst nur Angela Merkel beim G8-Gipfel. Fest und warm umschlossen Zenos Finger meine Hand und wieder verspürte ich das Ziehen im Bauch. Weil sich meine Gefühle an seiner Haut verbrannten, versuchte ich meine Hand zurückzuziehen, doch er hielt sie mit sanftem Griff fest.
    »Ich fänd’s cool, dich mal wiederzusehen, Feline«, sagte er und aus seinem Mund klang mein Name auf einmal fremd und geheimnisvoll. Ich hob den Blick und versank in seinen Sirupaugen, wie eine Fliege im
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