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Moorseelen

Moorseelen

Titel: Moorseelen
Autoren: Heike Eva Schmidt
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Honigglas.
    »Ja«, krächzte ich. Mehr brachte ich nicht heraus. Was war nur mit meiner Stimme los? Verlegen sah ich zur Seite und bemerkte Mia und zwei andere Mädchen aus der Gruppe, die aufmerksam zu uns herübersahen. Sie alle fanden Zeno toll, das hatte ich gleich bemerkt, als er im Park aufgetaucht war. Aber er saß nicht dort drüben bei ihnen, sondern er stand hier bei mir. Und er wollte mich wiedersehen. Ich beschloss, die Gelegenheit beim Schopf zu packen. »Okay, wann?«, fragte ich keck und obwohl meine Stimme etwas zu hoch klang, war ich doch wieder mutiger geworden. Das strahlende Lächeln kehrte auf Zenos Gesicht zurück.
    »Morgen«, sagte er, doch es war weniger eine Frage als eine Feststellung. Mein Herz begann heftig zu klopfen. Es war unwiderstehlich, wie er über etwas bestimmte, das ich mir insgeheim am meisten wünschte.
    »Bingo. Gleiche Stelle, gleiche Welle«, antwortete ich und schämte mich im selben Moment für diesen dämlichen Spruch. Hastig wand ich meine Hand aus seiner und machte, dass ich wegkam. Ein saloppes Winken über die Schulter, denn auf keinen Fall würde ich mich noch mal umdrehen. Nein, ich würde nicht zurückschauen, so was machten nur armselige kleine Mäuschen, die sich vergewissern wollten, ob der Typ ihnen auch bestimmt nachsah. Erst als ich bei der Baumgruppe angelangt war, drehte ich sekundenkurz den Kopf: Zeno grinste breit und hob die Hand zu einem Gruß.
    Mist!

Kapitel 3
    Ich hatte es geschafft, die Haustür lautlos aufzuschließen. Vorsichtshalber hatte ich meine Schuhe schon im Hausflur abgestreift, damit ich mich in mein Zimmer schleichen konnte. Gerade drückte ich mit angehaltenem Atem die Tür ins Schloss – da ging das Licht an. Wie ein Taschenkrebs, der im grellen Taschenlampenschein erstarrt, blieb ich mit eingezogenem Kopf stehen, ohne mich umzudrehen.
    »Hatten wir nicht eine Vereinbarung?«, donnerte mein Vater hinter mir.
    In diesem Augenblick hatte ich wieder Zenos Lächeln vor Augen und die winzige Zahnlücke. Er schien über meinen Vater zu lachen, der sich wichtigtat und versuchte, seine 16-jährige Tochter zu erziehen. Langsam drehte ich mich um und starrte ihm ins Gesicht. »
Wir
haben keine Vereinbarung.
Du
hast was bestimmt und ich soll spuren. Aber meines Wissens ist die Diktatur in unserem Land längst abgeschafft!«
    »Werd bloß nicht frech, Fräulein, ja? Das kann ich jetzt gar nicht ab. Offenbar glaubst du, hier schalten und walten zu können, wie es dir passt!«
    »Kann schon sein«, ätzte ich zurück. »Aber vielleicht denkst du mal dran, wie oft du dich nach Mamas Tod um mich gekümmert hast. Tendenz gegen Null, würde ich mal sagen. Und jetzt soll ich nach deiner Pfeife tanzen, nur weil du
einmal
bemerkt hast, dass ich in der Schule Mist gebaut hab?«
    »Sag mal … wie redest du denn mit mir?«, polterte mein Vater mit rotem Gesicht, aber ich merkte, ich hatte ihn an einem empfindlichen Punkt getroffen. Deswegen streute ich gleich noch ein bisschen Salz in die Wunde.
    »Was ist es wirklich, Papa – echte Sorge um mich oder willst du einfach vor deiner Neuen als Mustervater dastehen?«
    Ihm fiel die Kinnlade runter. Ehe er jedoch etwas erwidern konnte, war ich schon die Treppe hoch und in mein Zimmer gestapft. Einen Moment horchte ich noch an der Tür, aber er kam mir nicht nach.
    In dieser Nacht träumte ich von Zeno. Ich stand am Strand und er kam auf dem Surfbrett stehend auf einer Welle auf mich zu. Ich wollte zu ihm laufen, da drehte er lachend um und paddelte schneller, als ich am Wasser war, wieder ins Meer hinein, bis er nur noch ein Punkt am Horizont war.
    Ich wachte mit einem Gefühl der Leere auf und hatte noch auf dem Schulweg das Gefühl, etwas Kostbares verloren zu haben. Dass Nick mich komplett links liegen ließ und mich keines Blickes würdigte, nahm ich nur am Rande wahr. In der Pause hörte ich ihn laut über »so ’n paar Pseudo-Hippies« lästern, die beim Streetfestival »Ramsch an Leute verkaufen, die auf ihr alternatives Getue reinfallen«. Natürlich war der Satz auf mich gemünzt. Es war mir egal.
    Am Nachmittag stand ich in meinem Zimmer, dessen Durcheinander auf eine akute Kleiderkrise schließen ließ. Auf meinem Bett, dem Schreibtischstuhl und meiner kleinen Couch tummelte sich der gesamte Inhalt meines Kleiderschranks. Und mittendrin: ich in Unterwäsche ohne was anzuziehen. Eigentlich irre. Als würden Hänsel und Gretel vor dem Knusperhaus der Hexe stehen und meckern, wo zum Kuckuck sie jetzt
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