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Moorehawke 01 - Schattenpfade

Moorehawke 01 - Schattenpfade

Titel: Moorehawke 01 - Schattenpfade
Autoren: Kiernan Celine
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wusste, sie würde das alles verderben, dieses sorgfältig vorbereitete Lebewohl, wenn sie sich nicht zusammenriss. Und zwar schleunigst.
    Etwas zittrig holte sie Luft und drückte den Rücken durch. Blinzelte heftig, um den trüben Nebel der Erschöpfung aus ihrem Kopf zu vertreiben. Dann räusperte sie sich und zwang sich zu kichern. Wie überzeugend das klang! Sie war sehr zufrieden mit sich.
    »Schickt nicht gleich die Kavallerie los, meine Herren«, begann sie trocken. »Das war ich selbst.« Die beiden Männer sahen sie misstrauisch an, woraufhin sie eine neckische Verbeugung machte und dabei auf die zerrissenen Knie ihrer Hose deutete, die Rußflecken auf ihrem Hemd. »Meine Kerze verlosch auf der Hintertreppe, und ich hatte im Dunklen plötzlich ganz mädchenhafte Anwandlungen.« Sie grinste breit unter ihrem zerzausten Haarkranz hervor. »Ich bin gestürzt, und es hat leider einige Stufen gedauert, bis ich mich wieder gefangen hatte. Ich kann von Glück sagen, dass ich mir nicht das Genick gebrochen habe!«
    Lorcan forschte in ihrem Gesicht, sein Atem ging flach. Marcello sah ihn an. Besänftigend legte er ihm die Hand auf
den Arm und raunte ihm auf Italienisch zu, dass sein Stuhl auf ihn warte.
    Wynter leckte sich über die Lippen und blickte ihrem Vater in die Augen. Komm schon. Wir tun so, als ob, schon vergessen? Fromme Lügen!
    »Warum setzt du dich nicht?«, forderte sie ihn fröhlich auf. »Und ich mache mich rasch vorzeigbar. Es dauert nicht lange, versprochen.«
    Noch einmal musterte er sie von Kopf bis Fuß. Wynter warf ihm einen flehentlichen Blick zu, und er gab sich sichtlich Mühe, seine Wut zu beherrschen. Langsam stieß er die Luft aus und zwang sich, die zu Fäusten geballten Finger zu lösen. Dann nickte er, straffte die Schultern, neigte den Kopf in stillem Einverständnis. Demonstrativ wandte er sich von ihr ab und gestattete Marcello, ihm auf den Stuhl zu helfen.
    Als er schließlich am Tisch saß, hatte er sich voll und ganz auf das Spiel eingelassen. Er zog die Serviette zu sich und grinste seine Tochter an. »Beeil dich lieber, meine Kleine«, sagte er, »sonst sind nur noch Eierschalen und Butterreste übrig.«
    Wynter verengte die Augen und drohte ihm streng mit dem Finger. »Ich bin gleich wieder da! Fass bloß nichts an!«
    Auf dem Weg durch den Gemeinschaftsraum hörte sie, wie Marcello sich entschuldigte und ging. Sie blieb in der Tür zu ihrer Schlafkammer stehen und sah sich nach dem kleinen Mann um, der gerade in den Gang hinaustrat. Marcello war gewiss kein Narr; dennoch hatte er sich offenbar entschlossen, die Geschichte, die Lorcan ihm über dieses höchst ungewöhnliche Frühstück aufgetischt hatte, nicht zu hinterfragen. Vielleicht hatte Lorcan ihm erzählt, dass Wynter Geburtstag hätte oder dass sie einen besonderen Gedenktag feierten. Was auch dahintersteckte – sie war diesem diskreten kleinen Italiener unendlich dankbar. Er war Balsam für ihre Seele.

    Sie lehnte sich gegen den Rahmen und sah ihm nach, und gerade, als er die Tür hinter sich schließen wollte, blickte Marcello auf und entdeckte sie. Er hielt inne; seine Miene wurde weich, die Augen glänzten im Flackern der Kerzen. Mit sanftem Mitgefühl zog er die Augenbrauen zusammen und nickte. Wynter hob das Kinn, aus irgendeinem Grund bewegte sie dieser Blick zutiefst. Dann schloss Marcello leise die Tür, und sie ging in ihre Kammer.
    Sie brauchte einen Moment, um sich wieder zu fangen.
    Das Haar auf dem Kopf aufgetürmt, zog sich Wynter aus und tastete sich durch das Dämmerlicht zu ihrer Waschschüssel. Sie füllte sie mit lauwarmem Wasser, presste die Lippen zu einem festen, dünnen Strich zusammen, tauchte den Meeresschwamm ein und begann, sich von Kopf bis Fuß zu schrubben. Jede ihrer Bewegungen war genau und beherrscht. Ihr Geist, ihre Miene, ihr Herz – erfüllt von nichts als Entschlossenheit.
    Sie wusch die Seife fort, trocknete sich am ganzen Körper ab, bis ihre Haut kribbelte und glühte. Sie reinigte ihre Nägel, putzte sich die Zähne mit Zahnpulver. Suchte sich aus der Truhe ihrer Mutter ein blassrosa Kleid mit dunkelrosa Borten und Unterkleid aus. Vor dem Spiegel kämmte sie ihr Haar und ließ es offen; ein dunkelroter Vorhang, der über ihre Schultern hing, als sollte auch sie heute mit einem König speisen. Waschen werde ich es später , dachte sie. Bevor ich aufbreche . Gott allein wusste, wann sie wieder Gelegenheit dazu bekäme.
    Sie bedauerte die aufgeschürfte Stelle an ihrem Kinn,
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