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Moorehawke 01 - Schattenpfade

Moorehawke 01 - Schattenpfade

Titel: Moorehawke 01 - Schattenpfade
Autoren: Kiernan Celine
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sein Hemd loszulassen. Zärtlich strich er ihr das Haar aus dem Gesicht und zwinkerte ihr zu. »Nun geh schon.«
    Wie betäubt stand Wynter auf und ging in ihre Kammer.
    Der Großteil ihres Gepäcks stand außerhalb der Burgmauern für sie bereit; es war nach und nach im Laufe der letzten Tage von Marni zusammengestellt worden. Auch ihr Pferd Ozkar wartete dort auf sie, nachdem eine geheimnisvolle Krankheit es überraschend erforderlich gemacht hatte, es von Razis kostbaren Arabern zu trennen. Ozkar würde gesattelt und bepackt im Stall eines kleinen Gasthauses eine halbe Stunde Fußmarsch vom Palast entfernt auf sie warten.
    Wynter blieb nur noch, ihr Waschzeug, den Reisegürtel, frische Kleider zum Wechseln, die nötigen Utensilien, falls ihre Menses auftreten sollten, sowie ihre Landkarten zusammenzusuchen. Die Karten waren das Wichtigste überhaupt; bis zur letzten Nacht hatte sie ja keine Ahnung gehabt, welche Richtung sie einschlagen sollte. Sie musste diese Karten noch sehr genau studieren.
    Schwerfällig blieb sie mitten im Raum stehen, sie war wie
gelähmt. Je länger du hier stehst, ermahnte sie sich, desto länger muss Vater allein dort sitzen . Das spornte sie an.
    Als sie schließlich zurück in den Empfangsraum trat, war sie völlig verwandelt: Sie hatte sich das Haar gewaschen, zu einem festen Zopf gebunden und sorgfältig unter eine eng anliegende, dünne Strickhaube gesteckt. Sie trug ihre Reithose, Reitstiefel und eine langärmelige Reiserobe über dem Unterhemd. Darüber hatte sie Christophers dunkle Jacke gezogen, und der breitrandige Strohhut hing auf dem Rücken. Bei jedem Atemzug knisterte Razis Brief an ihrem Herzen, dicht an ihr Zunftmedaillon geschmiegt. All ihre Habseligkeiten – einschließlich der Zunftabzeichen – waren säuberlich in dem kleinen Ranzen auf ihrem Rücken verstaut oder auf die Beutel und Säckchen verteilt, die ihren Reisegürtel zierten. Sie war gut ausgerüstet, gut bewaffnet – und nicht im mindesten aufbruchbereit.
    Lorcan sah auf und begegnete ihrem Blick. Er erging sich nicht in seiner üblichen Litanei aus Ermahnungen. Achte im Gedränge auf deinen Beutel. Hast du genug Geld dabei? Hast du ein Mittel gegen Bauchschmerzen? Sieh zu, dass dein Dolch immer in Reichweite ist. Nein, heute betrachtete er sie lediglich mit großen, verwundeten Augen, die Hände so fest um die Armlehnen geklammert, dass die Knöchel weiß hervortraten.
    Schon schlug die Turmuhr das halbe Viertel, ihnen blieb keine Zeit mehr.
    Wynter verschwamm alles vor Augen.
    »Du musst jetzt gehen, mein kleines Mädchen.«
    Bei seinem halbherzigen Flüstern schüttelte sie den Kopf.
    Nein . Sie schloss die Augen. Nein .
    Nein! Jetzt war sie ganz sicher: Nein . Sie konnte das nicht tun. Hastig nestelte sie an den Schnüren ihres Ranzens. Sie würde es nicht tun! Sie würde nicht diesen wundervollen
Mann opfern und damit alles, was sie einander bedeuteten, was er für sie gegeben hatte. Sie würde nicht alles für die Politik, für das Reich opfern. Sie würde einfach bleiben. Sie würde verdammt noch mal hierbleiben . Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Sie musste Lorcan Trost und Anker sein, wie er es stets für sie gewesen war. Sie würde bei ihm bleiben bis zum Ende.
    Warum bekam sie denn nur diese gottverfluchten Knoten nicht gelöst! Ungeduldig grunzend machte sie sich an der Schnalle ihres Gürtels zu schaffen.
    Unterdessen stand Lorcan langsam auf. Sie spürte, wie er mit unsicheren Schritten um den Tisch herumging.
    »Nein, Vater!«, knurrte sie, ohne ihn anzusehen. »Nein!« Ungeschickt zerrte sie an ihrem Gürtel.
    Da stand er neben ihr. Schwerfällig an den Tisch gelehnt, schlang er ihr seine Arme um die Schultern und zog sie an sich, quetschte sie an seine Brust. Wynter vergrub das Gesicht in seinem Hemd. Sie konnte sein Zittern fühlen, als er sein Kinn auf ihren Scheitel legte. Er würde sie bei sich bleiben lassen – sie wusste es einfach!
    »Oh, Vater …«, setzte sie dankbar an und schob die Hände nach oben, um sie um seinen Hals zu schlingen. Doch seine Umarmung wurde noch fester und klemmte ihre Arme ein. Mit einem Ächzen stieß sich Lorcan plötzlich vom Tisch ab, so dass beide zur Seite taumelten und in Richtung Tür kippten.
    Wynter glaubte, sie würden stürzen, und stieß einen erschreckten Schrei aus. Doch Lorcan fing sie beide auf, indem er sich mit der Hand am Sturz der Eingangstür abstützte. So verharrte er einen Augenblick, keuchend, seine Tochter immer noch hilflos
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