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Moorehawke 01 - Schattenpfade

Moorehawke 01 - Schattenpfade

Titel: Moorehawke 01 - Schattenpfade
Autoren: Kiernan Celine
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noch nicht lange gesattelt und gezäumt hier. Dankbar nickte sie, als der rotgesichtige Mann feierlich die Hände verschränkte, um ihr in den Sattel zu helfen.
    Als sie Ozkar gerade zuschnalzen und losreiten wollte, legte der Mann eine Hand auf den Pferdehals und murmelte leise: »Tantchen hat gesagt, Ihr sollt auf Euch achtgeben tun, gute Dame. Und Ihr sollt gefälligst keine Dummheiten machen.« Er errötete bei dieser Botschaft, doch Wynter lächelte ihn an.
    »Sagt Eurer Tante, dass ich sie liebe, guter Mann, und dass ich auf immer in ihrer Schuld stehe …« Sie stockte. »Und bittet sie … bittet sie, sich gut um meinen Vater zu kümmern.«

    Mit immer noch feierlicher Miene nickte er und trat zurück, als Wynter Ozkar auf die Straße lenkte.
    Sie zögerte kurz, während der spärliche Menschenstrom an ihr vorbeidrängte, und beobachtete, wie Razis hohe Gestalt in der Ferne entschwand. Würde sie dem sorgsam durchdachten Plan ihres Vaters folgen, dann müsste sie sich hinter der langsam reitenden Gruppe einreihen und ihnen bis hinunter auf die Port Road und ein Gutteil der Strecke gen Padua folgen. Drei Wochen nach Antritt ihrer Reise – wenn sie die Berge zur Hälfte überquert hätten und keine Gefahr mehr bestand, dass Razi sie zurückschickte – würde sich Wynter seiner Gnade ausliefern und unter seine Fittiche nehmen lassen, um den Rest des Wegs nach Padua mit ihm zusammen zurückzulegen und dort ein neues Leben unter seinem Schutz zu beginnen.
    Razi trieb sein Pferd durch die Menschenmenge, die hellblaue Kufiya bildete einen leuchtenden Farbfleck über den gelben Staubwolken. Die Angst um ihn schnürte ihr die Kehle zu. Umgeben von Männern, denen er nicht vertraute, trat er seine Reise in ein Leben voller Ungewissheit an. Sie schloss die Augen und widerstand dem Drang, ihm nachzueilen. Stattdessen wandte sie ihr Pferd gegen den Strom und schlug den Weg zurück Richtung Palast ein.
    Kurze Zeit später zügelte Wynter Ozkar an einer kleinen Kreuzung und betrachtete das schmale Band einer Straße, die nach links führte. Sie war kaum begangen und wand sich über einen schmalen Weidegürtel, bevor sie dann rasch eine Anhöhe emporkletterte und im dichten Wald verschwand. Sie konnte schon beinahe die Wegelagerer und Strauchdiebe hören, die den Duft einer allein reisenden Frau erschnupperten. Tief holte sie Luft und sah sich angstvoll nach der Straße in die Stadt um. Razi war nun nicht mehr zu sehen, er war fort,
vielleicht für immer. Hinter ihr kauerte der Palast am Horizont, in dessen giftigem Herzen ihr Vater lag, verlassen, getäuscht und krank, auf Gedeih und Verderb seinem unberechenbaren königlichen Freund ausgeliefert. Sie drehte den Kopf in seine Richtung, versuchte, ihn sich vorzustellen, betete, dass er wohlauf war.
    Noch ist es nicht zu spät, lockte eine innere Stimme. Noch kannst du umkehren. Lenk nur Ozskar in eine der beiden Richtungen, und du bist sicher und beschützt und nicht allein.
    Sehnsüchtig blickte Wynter wieder zum Palast. Das Gedränge löste sich allmählich auf, da sich die meisten Reisenden auf dem Weg zum Jahrmarkt befanden. Schon bald wäre sie allein auf dieser Straße, zum ersten Mal in ihrem Leben – auffällig, verletzlich, ganz und gar auf sich gestellt. Für diese Aufgabe hatte sie das falsche Geschlecht, das falsche Alter, sie konnte das nicht! Sie konnte einfach nicht.
    Blinzelnd ließ Wynter den Kopf sinken und betrachtete ihre zitternden Hände. Ich kann das nicht, dachte sie wieder. Ich will nach Hause . Doch im selben Moment trieb sie ihr Pferd vorwärts, und Ozkar gehorchte und drängte sich sanft durch die letzten Nachzügler, verließ die Hauptstraße und trat auf den holprigen, schmalen Pfad, der in die Berge führte.
    Ein paar Reisende wandten die Köpfe nach der dunkel gekleideten Frau, die einsam über den Weg ritt. Die meisten drehten sich einfach wieder um, ohne sie wirklich wahrzunehmen. Doch einige wenige – besonders die Frauen – verspürten wahrscheinlich einen Stich mitfühlender Besorgnis. Was denkt sich das Mädchen nur! , dachten sie vielleicht erschrocken. Hat sie den Verstand verloren? Und dann bekreuzigten sie sich verstohlen oder klopften sich auf die Stirn oder machten ein anderes Unheil abwehrendes Zeichen, damit sie sich nie selbst in solch einer Lage wiederfänden.

    Denn wer wollte sich schon aus freien Stücken allein und ohne männlichen Schutz von der Behaglichkeit des Volks abkehren und den Weg in die mörderische Wildnis
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