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Moorehawke 01 - Schattenpfade

Moorehawke 01 - Schattenpfade

Titel: Moorehawke 01 - Schattenpfade
Autoren: Kiernan Celine
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die roten Kratzer auf den Händen. Sie bedauerte den dunkelblauen Fleck auf ihrer Stirn, wo sie gegen die Wand geprallt war. Es bedrückte sie, dass ihr Vater sie über den wunderschön gedeckten Tisch hinweg ansähe und von diesen Andenken schonungslos an die Wahrheit erinnert würde.

    Mit zitternden Lippen schloss sie die Augen, die Hände zu Fäusten geballt. Dann drehte sie sich unvermittelt um und ging hinüber.
    Lorcan lächelte und machte galant Anstalten, sich zu erheben, als sie eintrat. Liebenswürdig bedeutete Wynter ihm, Platz zu behalten, und er neigte höflich den Kopf und setzte sich wieder, als wäre ihre Geste das Einzige, was ihn davon abhielt, aufzuspringen und ihr einen Stuhl anzubieten.
    Mein Gott, wir machen das wirklich gut. Anerkennend ließ sie den Blick über den Tisch schweifen, nahm ihre Serviette und atmete so genüsslich sie nur konnte ein. Wird er essen können? Bitte, lieber Gott, lass ihn essen können! »Wie schön das aussieht!«, stellte sie aufrichtig fest und hob ihm den Blick entgegen. »Vielen, vielen Dank!« Lorcan erwiderte ihr Lächeln, und eine sachte Anspannung, die zwischen ihnen in der Luft gehangen hatte, löste sich auf.
    Sie machten sich über ihr Frühstück her, vertilgten alles bis auf den letzten Bissen und unterhielten sich unbeschwert über Musik und Bücher. Lorcan erzählte heitere Geschichten aus seiner Jugend, die Wynter bereits kannte. Es war angenehm, es war friedlich, und die Zeit rann ihnen unmerklich rasch durch die Finger.
    Als sie schließlich fertig waren, blieben sie noch ein Weilchen lächelnd sitzen, bis Wynter aufstand und alles außer dem Kaffeegeschirr abräumte. Das Tablett stellte sie vor der Tür im Gang ab, und als sie zurückkam, hatte Lorcan seinen Stuhl etwas vom Tisch abgerückt und zur Seite gedreht, um seine langen Beine auszustrecken. Bedächtig rührte er Sahne und Zucker in ihre Kaffeeschalen, sein Haar glänzte im hellen Sonnenlicht.
    Wynter drückte sich mit dem Rücken an die Tür und blickte aus dem Fenster. Hübsche zarte Wölkchen zogen
langsam über den hellblauen Himmel, schimmerten im prallen Licht des Tages. Unwillkürlich begann ihr Kinn zu beben, sie biss die Zähne zusammen und bohrte sich die Fingernägel in die Handflächen. Reiß dich zusammen, schalt sie sich. Reiß dich zusammen! Gehorsam entspannten sich ihre Muskeln wieder, die Knoten in ihrer Magengegend lösten sich. Gut .
    Sie lockerte die Fäuste und begann ruhig, eine Kerze nach der anderen zu löschen. Die Luft wurde erfüllt vom warmen Duft rauchender Dochte, und Lorcan hob den Kopf, als er es bemerkte. Er warf einen Blick auf die Fenster, die Augen ungläubig geweitet.
    Wynter legte ihm eine Hand auf die massige Schulter und beugte sich vor, um die letzte Flamme zu löschen. Doch Lorcan hielt ihren Arm fest. »Nicht diese, mein Schatz.« Sie zögerte. »Lass diese brennen.« Seine Stimme zitterte leicht, er ließ sie nicht los.
    Da stützte sich Wynter matt auf den Tisch, den Kopf gesenkt, sie konnte plötzlich nicht mehr. Sie sahen einander nicht an. Lorcan drückte ihren Arm, die Augen starr auf die Kerzenflamme gerichtet. Er schüttelte den Kopf und wandte sich ab.
    »Ich hatte gehofft …«, flüsterte er. »Ich hatte gehofft, ich wäre … in der Verfassung … einen Spaziergang im …« Sein Griff um ihren Arm verstärkte sich.
    Die Turmuhr schlug das vierte Viertel. Noch vier Stunden. Verzweifelt sah sich Lorcan im Zimmer um. Was konnten sie sagen? Was konnten sie tun?
    Wynter sank zu Boden und legte den Kopf auf das Bein ihres Vaters, dann schlang sie ihm die Arme um die Hüften und umklammerte den Stoff seines Hemds. Sanft legte Lorcan seine große Hand auf ihren Scheitel, lehnte sich zurück und drehte den Kopf zum Fenster. Wynter tat es ihm gleich,
die Wange auf sein Knie gebettet. Er streichelte ihr Haar, und gemeinsam beobachteten sie die Wanderung der Wölkchen über den Morgenhimmel, bemerkten darüber gar nicht, wie die Zeit verging. Sie verstrich lautlos und allzu rasch, und als die Uhr das fünfte Viertel schlug, hatten sie sich noch immer nicht bewegt oder ein Wort gesprochen.
    Lorcan beugte sich vor und küsste Wynter auf die Wange. »Zeit, dich bereitzumachen, meine Kleine.« Doch sie krallte sich nur noch fester in sein Hemd. Begütigend rieb er ihr den Rücken. »Komm, mein Liebling. Es wird Zeit. Du hast Dinge zu erledigen.« Da sie sich nicht rührte, schob er sie sanft von sich fort, bis sie gezwungen war, sich aufzusetzen und
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