Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Montedidio: Roman (German Edition)

Montedidio: Roman (German Edition)

Titel: Montedidio: Roman (German Edition)
Autoren: Erri De Luca
Vom Netzwerk:
vom Schlaf herunterzukommen: »Ich hab geglaubt, ich bin am Bett deiner Mutter.« Maria lässt ihm keine Zeit, dort zu verharren: »Das Essen ist fertig!«, ruft sie ihm zu und macht viel Lärm mit den Tellern. Ich ziehe meine Jacke aus, lege den Bumerang auf den Tisch. »Hast du ihn noch? Dann hat er dir gefallen? Ich hatte ihn schon vergessen«, und während er das köstlichste Stück aller Pizzen von Neapel und dann von der ganzen Welt abschneidet, fragt er mich, ob er fliegt. »Wie die Pizza in der Hand von Don Gigino«, antwortet Maria, aber er kaut und hat es schon wieder vergessen. Ich erzähle ihm, dass Don Gigino uns vor allen anderen Leuten, die warteten, bedient hat. »Das hat er auch bei uns gemacht, Don Gigino sieht gerne verheiratete Paare«, sagt er, weil er sich erinnert, ohne andere Absichten. Er trinkt ein Glas Wein, schenkt Maria eines ein, sagt, dass er nicht bis Mitternacht wach bleiben wird. Er knackt eine Nuss, indem er sie in der Hand zerbricht, kaut sie mit Genuss. Mama mochte gerne Mandeln, es gibt keine, ich habe keine gekauft. Bei Tisch muss ein wenig Trauer
herrschen.
    E R HAT DIE S CHICHT eines Kollegen übernommen, morgen geht er zur Arbeit anstelle des anderen, der Neujahr zu Hause bei seiner Familie feiert. Er will arbeiten bis zur Erschöpfung, und er sagt, dass es ihm sehr gut gefällt, die Wohnung mit Leben erfüllt und ein warmes Essen zu Hause vorzufinden. Er steht auf, sagt Gute Nacht, dann dreht er sich an der Küchentür um und sagt: »Danke für die Pizza«, Maria lächelt ihm zu, und vor meinen Augen verschwimmt alles, ich schlucke Spucke runter, drehe mich um, nehme den Bumerang, drücke ihn fest, so beruhige ich mich. Sie machen zu schnell, ich schaffe es nicht, hinter ihnen herzulaufen, von einem Moment zum anderen verändern sie sich, musste er für so wenig »Danke« sagen, wo er doch mit ganzem Herzen bei den vergangenen Jahren ist, die dahin sind, und draußen schießen sie Raketen ab und machen ein Jahr neu und schmeißen das alte weg. Ich habe angefangen, den Tisch abzuräumen, Maria wäscht die Teller ab, und draußen werden sie immer ausgelassener, einen Abend lang macht die Stadt den Vesuv nach, wenn er Feuer und Flammen spuckt. Ich knipse die Lampe aus, durch die Scheibe betrachten wir die Fenster, die Straße.
    D ER B UMERANG AUF DER B RUST prallt gegen die Stöße des Blutes, Maria legt das Ohr auf die Stelle zwischen meiner Schulter und dem Hals, wiederholt leise: »Bum, bum, dein Herz rennt sogar, wenn du still stehst, in deiner Brust wirft ein frecher Kerl Steine gegen eine Mauer.« Ich schließe das gute Auge, die Balkone, die erleuchteten Fenster gegenüber rücken weiter fort, werden zu Bootsleuchten in der Dunkelheit, bum, bum, um zu leben, braucht man unbedingt Stöße, auch um zu fliegen, um sich von der Erde zu lösen, um ein Holz in die Luft steigen zu lassen, harte Stöße. »Bum, bum, bum«, Maria macht weiter, ihre Stimme lässt mir das Blut im Bauch zusammenfließen, die Spucke im Mund, Maria, sage ich, um Mitternacht steige ich nach oben auf die Terrasse, ich werfe den Bumerang. »Ich gehe mit dir hinauf.« Rafaniello wird fliegen, und alle Geister werden kommen, um ihn zu verabschieden, bei uns sind die Geister neugierig, einen Schuster mit Flügeln, den wollen sie streifen. Die Geister können nicht fliegen, sie können nur ein bisschen Wind machen. Auf der Straße schießen die Leute Raketen, Maria hört nicht, was meine dunkle Stimme sagt, sie denkt an ihr Blut: »Der Wein hat mir gut getan, es ist das erste Mal, dass ich welchen trinke, er ist gut. Mir hat die Handbewegung deines Vaters beim Einschenken gefallen. Er hielt die schwere Flasche ganz ruhig und ließ ihn langsam herausfließen.«
    S CHÖN IST M ARIA mit dem Blut, das sie verliert, und dem Wein, der es ersetzt, und den schwarzen Haaren, die mich am Hals kitzeln, und dem Mund, der sich mit der Bewegung des Küssens öffnet und schließt, um bum, bum zu machen. Um das Geräusch des Herzens nachzuahmen, schickt sie Küsse in die Dunkelheit. Wir bleiben vor dem Fenster stehen, unterdessen steigert sich das wilde Durcheinander der Schüsse, Montedidio probiert Zündschnüre aus, lässt Rauch von den Schüssen aufsteigen. Sie kommen sogar von weit her, vom Meer, in seiner Kammer wärmt Rafaniello sich die Flügel auf, Maria, es ist Zeit, hinaufzugehen, wir treten vom Fenster weg, der Bumerang löst sich von der Rippe über dem Herzen. Lass uns hinaufgehen, Marì, sie hängt sich an
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher