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Montedidio: Roman (German Edition)

Montedidio: Roman (German Edition)

Titel: Montedidio: Roman (German Edition)
Autoren: Erri De Luca
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im Kino sind, ganz hinten im Saal sitzen wir, weil wir im Stehen gewartet haben, dass zwei Plätze frei wurden, weil es das erste Mal ist, dass wir irgendwo zusammen hingehen, weil die Dunkelheit uns kitzelt, weil die anderen Leute lachen, darum lachen auch wir über Totòs Stimme, die ihm den Mund verschiebt, wenn sie herauskommt, sodass er sich nach dem Schrei das Kinn wieder zurechtrücken muss. Maria lacht mehr als die anderen. Als die aufgehört haben, macht sie noch weiter, und ihr Gelächter lässt die anderen lachen. Im Film geschieht nichts Lustiges, doch die anderen lachen über Marias Lacher, die sie wie eine Maschinengewehrsalve abfeuert, kurz, abgehackt. Ein Herr, der vor uns sitzt, fängt gleich nach Maria an zu lachen, es hört sich an, als würde er ersticken, er stößt ein Lachen aus, bei dem das Luftholen ein Pfeifen ist, » chisto mo’ more , gleich stirbt der«, sagt eine Frau hinter uns, nein, er hört nicht auf, er schüttelt sich vor Lachen, und immer wenn er gerade ein wenig Atem holt, greift Maria ihn hinterrücks mit ihren Salven an, und er fängt wieder an mit einem »iii«, einem Gewieher wie vor Schmerzen, und dann legt der Saal erneut los, und der Film hat nichts mehr damit zu tun.
    A M A USGANG SIND ALLE ZUFRIEDEN , obwohl es regnet und keiner daran gedacht hat, einen Schirm mitzunehmen. Ein alter Mann lacht, als er an das Gelächter denkt, eine Frau sagt: » Accussì adda essere ’o mbruoglio int’o lenzulo, c’adda fa’ spassa’ , so muss es sein, der Kladderadatsch in den Laken, wenn’s Spaß machen soll.« »Der Kladderadatsch in den Laken« ist der Film, der Kinematograf. Sie nennen ihn so, weil das Wort zu seltsam ist, sie können es nicht richtig aussprechen und haben Angst, sich zu verhaspeln, kimetanokraf zu sagen. ’O mbruoglio int’o lenzulo ist knapper für sie und erklärt genau, dass es sich um einen Kladderadatsch auf der Leinwand handelt. Maria hakt sich bei mir unter, und wir gehen durch den Regen, erfrischt vom Gelächter. Zu Hause, auf dem Bett in der Kammer, ist es eng für uns, sogar unbequem. Maria sagt: »Trotzdem lieber hier, hier haben wir’s warm.« Sie will sagen, dass wir das große Bett nicht benutzen sollen, wir finden lieber ineinander Platz und schlafen umarmt ein, nachdem wir uns ausgiebig geküsst haben. Ich lerne, die Lippen weich zu machen, zuvor hab ich sie hart gemacht wie Hühneraugen.
    M ARIA STÖRT SICH NICHT an meiner rauchigen Stimme, sie sagt, dass sie ihr gefällt, dass sie sie hören will, während wir uns küssen. Frag mich was, und ich antworte dir, sage ich. Sie lacht und sagt: »Wie heiße ich?«, und ich antworte, aber sie lässt nicht locker: »Sag meinen Namen noch einmal, sag ihn noch mal«, und ich küsse sie und wiederhole ihren Namen, und so geschieht die Liebe noch einmal, und ihr Körper wird von Stößen und Schluchzern erfasst, so sehr gefällt es ihr, wie ich ihren Namen sage. Maria muss ein Zaubername sein, vom Küssen gleitet sie sofort in den Schlaf hinüber, gerade Zeit genug, dass mein Dings wieder wird wie vorher. Ich sage nicht mehr zu ihm: » Arò si’gghiuto , wo bist du gewesen?«, denn jetzt weiß ich es. Während ich noch ein paarmal ihren Namen sage, atmet sie durch die Nase ein, schluckt und schnarcht ganz leise.
    I CH WACHE AUF, sie ist schon in der Küche, hat Wasser gekocht und lässt es durch den Kaffeefilter laufen. Bei ihr zu Hause macht man ihn mit der Espressomaschine, die den Kaffee aufsteigen und oben herauskommen lässt. Ich hab den Kaffee immer hinunterrinnen sehen, sage ich, wenn er aufsteigen muss, kommt er müde an. Maria lacht, du bist witzig, sagt sie. Eigentlich habe ich nur einen freundlichen Gedanken für den Kaffee ausgesprochen, den ich erst seit Kurzem kenne und der mir sehr gut schmeckt, schwarz und ohne Zucker. Ich hänge mir den Bumerang um, ziehe die Arbeitsjacke an und gehe die Rollläden öffnen, auf dem Tisch lasse ich Geld, damit eingekauft werden kann, was in der Küche fehlt. Mama, denke ich, während ich die Treppen hinuntergehe, komm schnell zurück, denn ich muss dich ein paar Sachen fragen über die Frauen. Es ist kalt, eine heftige Bö des Tramontanawinds auf der Treppe zwingt mich, die Augen zu schließen, und ich verstehe, dass die Antwort Nein ist. Mein Vater kommt in die Werkstatt, Meister Errico geht ihm entgegen, Papa weint, ich stehe still mit dem Besen in der Hand und halte ihn fest umklammert und lasse das gute Auge geschlossen, so ist alles
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