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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht
Autoren: Manfred Zach
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war bei Hof in Ungnade gefallen, weil sie es mit der Gattin ihres Onkels nicht konnte. So was soll ja auch in besseren Kreisen vorkommen. Um Tantchen zu ärgern, kaufte sie den halben Hügel hier auf, von dem man damals direkt auf das Schloß der königlichen Familie im Talkessel herabsehen konnte, und baute sich selbst ein Schloß, kleiner zwar, dafür obendrüber. Als sie fertig war, besaß sie zwei Millionen Goldmark weniger und wurde erst recht nicht mehr nach unten eingeladen. Ob aus diesen oder anderen Gründen weiß ich nicht, jedenfalls starb sie bald darauf und vermachte den Besitz ihrer Tochter, die praktischerweise einen adeligen Industriellen geheiratet hatte. Das Testament enthielt übrigens die Auflage, auf Monrepos immer dann die Fahne des Herrn von Mammon zu hissen, wenn im Tal bei Königs Staatsempfänge, Geburtstagsfeiern oder sonstige Lustbarkeiten angesagt waren − deshalb der Riesenspargel auf dem Dach. Das muß ein Rauf und Runter gewesen sein! Dann kamen Krieg, Revolution und Inflation, und plötzlich war das Ding zu teuer, sogar für blaublütige Fabrikanten. Und eine Familie König, die man ärgern konnte, gab’s auch nicht mehr. Folge: Der Staat kaufte das Schloß für ein Nasenwasser und machte es zum Regierungssitz, weil auch Republikaner gerne jemand haben, auf den sie runtersehen können. Nur halt jetzt aufs ganze Volk statt auf ein paar Dekadente, das ist der Vorzug der Demokratie. 1933 zog dann der Reichsgauleiter mit seinen Mannen ein, und wenn die Herrschaften gut drauf waren, schossen sie schon mal sämtliche Spiegel zu Bruch, was man damals für vornehme Lebensart hielt. Nach dem Krieg kamen die Franzosen, die zum Abschied alle Wasserhähne aufdrehten, so daß aus Monrepos fast ein Wasserschloß geworden wäre. Als die neue Demokratie dann halbwegs trockenlag, wurde Monrepos die neue Heimat der Ministerpräsidenten, und daran wird sich wohl auch nichts mehr ändern. Von der Stadt unten ist heute nicht mehr so viel zu sehen wie früher, weil die Bäume im Park zu hoch geworden sind. Ist wohl auch besser so.
    Kurz hat viel Sinn für Ironie, dachte Gundelach und bedauerte, sich nicht auf gleiche Weise revanchieren zu können.
    Sie kehrten zum Eingang zurück, drückten die schwere messingbeschlagene Tür auf und blieben in der Halle stehen. Wände und Decke waren weiß getüncht, ein hartes kalkiges Weiß, das sich erst entlang der sparsam aufgetragenen Stuckreliefs verschattete.
    So geräumig das Entree auf den ersten Blick wirkte, bot es in Wahrheit nicht allzuviel Platz. Die zum Obergeschoß führende Treppe nahm die Mitte des Raumes ein, ihre ausladenden Granitstufen stießen an einen wuchtigen, die Decke stützenden Pfeiler. Rechts vom Eingang hatte man, vermutlich in neuerer Zeit, eine offene, mit weißgeschliffenen Platten verkleidete Loge installiert. Einzig ein vom Alter ausgebleichter Gobelin unterbrach die schwarzweiße Monotonie: freudlose, in stumpfem Braun gewebte Jagd- und Schäferszenen. Ein hinter dem Treppenabsatz verlaufender Gang verzweigte sich zu bei den Seiten einer hohen weißen Flügeltür und schloß die Rückseite des Foyers ab.
    Als wollte er das Unbehagen des Neulings an der statischen und wenig einladenden Gliederung mildern, deutete Andreas Kurz auf eine im Treppenbogen stehende, halb verdeckte Marmorstatue. Eine Nymphe oder Göttin in klassizistischer Pose verbarg, freilich nicht eben um Vollkommenheit bemüht, mit dem linken Arm ihre Brüste. Der rechte hielt ein zu Boden sinkendes, faltenreiches Gewand vor den Schoß, knapp über der Scham.
    Von vorn ist sie nix, sagte Kurz. Aber sie hat einen hübschen Hintern!
    Um das zu erkennen, muß man sich aber ziemlich dicht an sie herandrücken! Gundelach stellte sich unmittelbar neben die Figur. Zwischen ihrer Rückseite und der Wand waren nur wenige Handbreit Platz.
    Na und? fragte Kurz ungerührt. Es gibt ungemütlichere Orte. Beinahe jeder von uns hat sich schon mal vergewissert. Außer dem MP natürlich. Dem genügt seine klassische Bildung.
    Gundelach lachte verschämt und senkte den Blick. Er brachte es nicht fertig, seine Befangenheit abzuschütteln. Um der Verlegenheit Herr zu werden, versuchte er, die allegorische Bedeutung grau-weißer Mosaikbildnisse zu entschlüsseln, die den Steinfußboden zierten. Schlangenähnlich gelockte Knaben lenkten zweirädrige antike Streitwagen, die von himmelwärts stürmenden Rossen mit wilden Mähnen und Schweifen gezogen wurden. Kurz deutete sein Interesse anders
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