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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht
Autoren: Manfred Zach
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sie es nur darauf abgesehen, ihn zu verunsichern, weil sie nichts beweisen konnten, aber mißtrauisch waren?
    Er beschloß, sich nicht aus der Reserve locken zu lassen. Ich wollte in den Staatsdienst, erklärte er mit Nachdruck und drückte das Kreuz durch. Ich komme aus einer alten Beamtenfamilie. Das klang, wie er selbst spürte, arg pathetisch. Als verweise jemand auf den Stammbaum eines alten Adelsgeschlechts, das sich, verarmt zwar, doch einen Haufen preußischer Offiziere zugute halten konnte.
    Aha, sagte Dr. Brendel.
    Aber Sie haben nach wie vor Lust am Schreiben? fragte Bertsch geduldig. Flüssig formulieren zu können, ist für die Pressearbeit unerläßlich. Natürlich müssen auch Wissen und Disziplin hinzukommen, sehr viel Wissen und sehr viel Disziplin sogar. Pressestellen sind das Sprachrohr der Politik, durch sie wird Politik transparent und bürgernah. Aber am Anfang steht, so will ich es mal nennen, ein gewisser schriftstellerischer Eros … Mit einem Wort, Sie sind diktatsicher?
    Ich denke, ja.
    Die Hektik in unserem Beruf ist groß. Jeden Dienstag morgen zum Beispiel tagt das Kabinett. Gleich darauf, um elf Uhr, ist Pressekonferenz des Ministerpräsidenten. Die Pressemitteilungen müssen deshalb schon am Montag abend anhand der Kabinettsakten gefertigt werden. Aber es kommt mal immer wieder vor, daß der Ministerrat von den schriftlichen Unterlagen abweicht −.
    Obwohl er das nicht tun sollte, unterbrach mit maliziösem Lächeln Dr. Brendel. Minister kommen und gehen, aber eine Verwaltung besteht ewig, wie die Katholische Kirche. Und Institutionen solch zäher Konsistenz sind, wie wir wissen, fast unfehlbar!
    Gundelach stimmte in die sich ausbreitende Heiterkeit befreit ein. Er war froh, den biografischen Nachforschungen vorerst entronnen zu sein.
    Na jedenfalls, Sie verstehen, man muß immer zackzack reagieren können, sagte Bertsch mit verdrießlichem Unterton. Nach der gelungenen Pointe seines Kollegen schien er an dem Thema keine rechte Freude mehr zu haben. Eine ungemütliche Pause entstand.
    Gundelach überlegte angestrengt, ob man nun von ihm, dem Kandidaten, eine Probe seiner Fähigkeit, die Initiative zu ergreifen und eine geistvolle Konversation anzuzetteln, erwartete; was, jedenfalls nach seinem laienhaften Verständnis, zu einem politischen Amt (und in diesen ehrfurchtgebietenden Räumen roch einfach alles nach Politik!) unbedingt dazugehörte. Ebensogut war es aber auch vorstellbar, daß das genaue Gegenteil ergründet werden sollte: sein Vermögen, eine Situation wie diese mannhaft durchzustehen und selbst gegen starkes Mitteilungsverlangen zu schweigen. Und wer wollte bestreiten, daß auch dies unverzichtbare Eigenschaften eines jeden politisch beschlagenen Menschen waren?
    Immerfort, dachte er betäubt, gerate ich hier in Zwickmühlen … Wie einfach geht es demgegenüber in einer kleinen Landesbehörde zu!
    Die Entscheidung wurde ihm abgenommen. In die Stille hinein flog krachend die Tür auf und mit zwei, drei stampfenden Schritten stürmte ein untersetzter, bemerkenswert nachlässig gekleideter Mann ins Zimmer, unter dessen offenem Hemdkragen eine breite, zitronengelbe Krawatte wie ein Pendel hin- und herschwang.
    Günter, ich brauch dich eben mal dringend!
    Grußlos, wie er hereingepoltert war, machte der Kraftmensch wieder kehrt und ließ die Tür praktischerweise gleich offen. Bertsch stand unverzüglich auf, zuckte bedauernd mit den Schultern und sagte im Hinausgehen zu seinem Mitarbeiter Bauer: Sie können ja in der Zwischenzeit Herrn Gundelach schon mal über das Landesjubiläum informieren.
    Dr. Brendel begutachtete versonnen seine Fingernägel.
    Typisch Müller-Prellwitz, flüsterte Bauer, wobei die mißbilligend hochgezogenen Augenbrauen nicht recht zur Devotion seiner Stimmlage passen wollten. Als er die Ratlosigkeit seines Gegenüber bemerkte, fügte er in silbenverschluckendem Stakkato hinzu: Müller-Prellwitz, Grundsatzabteilungsleiter, rechte Hand des Ministerpräsidenten, gewissermaßen der kleine MP neben dem großen …
    Dr. Brendel interessierte sich für die knospenden Bäume im Park.
    Nun begann Bauer, ein Mittdreißiger mit elegischen Mundwinkeln, dem es offensichtlich schwerfiel, Sätze zu Ende zu sprechen und Menschen gerade ins Gesicht zu blicken, von der Konzeption des großen Jubiläums zu berichten − eines Bürgerfestes grandiosen Zuschnitts, welches im kommenden Jahr dem ganzen Land zu frischem Glanz verhelfen −, das aber, weil bekanntlich nichts
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