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Monkeewrench 06 - Todesnaehe

Monkeewrench 06 - Todesnaehe

Titel: Monkeewrench 06 - Todesnaehe
Autoren: P.J. Tracy
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wo man ihm Gift in die Adern pumpte, bis er kotzte? Vielleicht hatte er ja genug. Bei Gott, vielleicht würde er heute endlich sein Leben zurückfordern. Er würde strahlend zurücklächeln und zu der Krankenschwester sagen: «Danke für die Einladung, aber wissen Sie was? Ich glaube, ich lasse die Chemo heute ausfallen. Mir ist einfach nicht danach.»
    Ja. Genau so würde er es machen. Das gute alte Schlachtross Joe hatte endlich, endlich die Nase voll von diesem ganz speziellen Kampf.
    Als die zweite Krankenschwester kam, runzelte sie leicht die Stirn, als könnte sie seine unartigen Gedanken erahnen, und überraschte ihn mit der Mitteilung: «Es gibt eine kleine Änderung, Mr. Hardy. Doktor Pierce würde gern erst mit Ihnen sprechen. Ist Ihnen das recht?»
    Tom Pierce’ Büro hatte den großen Vorzug, dass es so aussah, als gehörte es gar nicht in dieses Gebäude. Dasselbe konnte man eigentlich auch von Tom behaupten.
    «Wer hat dir das Zimmer eigentlich eingerichtet?», erkundigte sich Joe. Er hatte es sich in dem Ledersessel vor Toms Schreibtisch gemütlich gemacht, die Füße auf dem dazugehörigen Hocker, die Arme hinter dem Kopf verschränkt.
    Tom lehnte sich in seinem Schreibtischstuhl zurück, drehte sich einmal damit im Kreis und ließ den Blick über die holzvertäfelten Wände schweifen. In einer Ecke hing ein lebensgroßes Skelett, das aussah, als würde es lächeln, und an der hinteren Wand ein sechs Kilo schwerer Glasaugenbarsch. «Gefällt’s dir nicht?»
    «Im Gegenteil. Ich kann nur nicht fassen, dass sie dir das durchgehen lassen. So eine Holztäfelung geht doch gar nicht. Ganz zu schweigen von dem toten Fisch an der Wand und dem Teppich, auf dem mein Sessel steht. Total unhygienisch.»
    Tom zuckte die Achseln. «Bei uns in der Abteilung sieht man das nicht so eng. Wir sind hier schließlich alle grenzgenial.»
    «So? Na, wenn ihr wirklich grenzgenial wärt, würdet ihr mal kleidsamere Krankenhaushemden entwerfen. Kennst du noch dieses alte Brettspiel, ‹Operation›? Der Comic-Typ mit der roten Glühbirne auf der Nase, die immer geleuchtet hat, wenn man ihn versehentlich tötete, hatte ein deutlich schickeres Hemd an als das hier.»
    Tom war bestimmt der hässlichste Mann, den Joe kannte. Er schielte auf einem Auge, hatte sich beim Hockey in der Highschool gleich mehrfach die Nase gebrochen, und sein Kinn war praktisch inexistent und ging unmittelbar in den Hals über. Doch wenn er lächelte, sah es aus, als hätte Gottes Finger ihn berührt oder etwas in der Art. «Mensch, das Spiel habe ich ja total vergessen. Was fand ich das toll, auch wenn mein kleiner Bruder mich immer haushoch geschlagen hat! Ich glaube, ich habe kein einziges Mal gewonnen, aber die Glühbirne habe ich immer unheimlich gern zum Leuchten gebracht.»
    Joe zog die Augenbrauen hoch. «Na toll. Mein Chirurg hat kein einziges Mal bei ‹Operation› gewonnen. Hättest du mir das vielleicht sagen können, bevor du mich das erste Mal aufgeschnitten hast?»
    Toms Lächeln verschwand zwar nicht gleich, veränderte sich aber merklich. Er seufzte, holte eine Karaffe und zwei Gläser aus der unteren Schreibtischschublade und schenkte ihnen beiden etwas sichtlich Teures ein.
    Joe verzog das Gesicht. «Ach du Schande. Jetzt wird mir langsam klar, warum du mich heute aus der Chemo geholt hast. Du willst mich noch mal aufschneiden, oder?»
    «Keine weiteren Operationen, Joe. Und die Behandlung brauchst du auch nicht mehr. Es wäre heute sowieso das letzte Mal gewesen. Das können wir genauso gut ausfallen lassen.»
    Joe stockte der Atem, als wäre ihm das Haarknäuel aus Hoffnung, das er seit Monaten unter der Zunge hielt, plötzlich doch noch in den Hals geraten. Runterschlucken oder raushusten? Das war hier die Frage. «Sind die Ergebnisse gekommen?»
    «Ja.»
    «Und sie sind so gut?»
    Die zwei Sekunden, die Tom schwieg, kamen Joe vor wie hundert Jahre. «Spann mich nicht auf die Folter, Tom. Feiern wir hier, oder wird das der erste Toast meiner Totenwache?»
    Tom holte tief Luft. «Es sind gerade zwei neue Medikamente in die Testphase gegangen. In Houston fangen sie nächste Woche mit einer Blindstudie an, die ganz vielversprechend aussieht … Das wäre zumindest eine Chance, Joey.»
    Komisch. Wenn man die Worte, vor denen man sich die ganze Zeit gefürchtet hatte, tatsächlich hörte, waren sie gar nicht mehr so furchteinflößend. Auf irgendeine verdrehte Weise war es fast eine Erleichterung.
    Joe nahm einen Schluck aus seinem
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