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Monica Cantieni

Monica Cantieni

Titel: Monica Cantieni
Autoren: Grünschnabel
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gehalten? Die haben schließlich hier gewohnt.
    – Ja, aber habe ihnen nicht meinen Namen gegeben.
    Keine Ahnung, wie lange wir bei Onkel Curdin in der Sonne gesessen hatten, als Mili und ich die Türen gehen hörten und meine Mutter sagte, dass sie die Nase endgültig voll hat davon, sich bei jedem Wetter draußen herumzutreiben, dass sie der Sache jetzt mal auf den Grund gehen will. Dann ging die Tür auf, sie stolperte mit Toni ins Zimmer, fiel über die Kabel und japste:
    – Was ist das hier?
    Toni stöhnte, und ich brachte kein Wort heraus. Dann war es eine Weile still, bis meine Mutter auf die Höhensonne zeigte.
    – Ist das meine?
    Mili nahm die riesige Sonnenbrille ab.
    – Wer ist das?
    Ihr nicht zu antworten, wie die andern es taten, war keine gute Idee. Ich nahm all meinen Mut zusammen.
    – Sie ist eine Überfremdung, Toni muss sie geheim halten. Sie ist aber nett.
    – Sie ist meine Tochter.
    – Du verschweigst mir deine Tochter?
    – Und sie mag Popcorn, und ihre Lieblingsfarbe ist Grün.
    Meine Mutter gab mir eine Ohrfeige, und Toni stellte sich vor den Schrank. Sie zog die Vorhänge auf, gab mir noch eine Ohrfeige, obwohl ich gar nichts gesagt hatte, gab Toni auch gleich eine und sah sich Mili an, die in die Sonne blinzelte. Sie schüttelte den Kopf, sah Toni an, sie hatte alle Farbe verloren und sagte:
    – Nicht zu fassen. Einfach nicht zu fassen das alles. Jetzt geht’s nicht mehr ohne, jetzt müssen wir reden. Weißt du das?
    Die Höhensonne war in hohem Bogen auf die Straße geflogen, mein Vater leistete ganze Arbeit, sogar Tonis Ferienfotos schmiss er aus dem Fenster, sie flatterten vor Oskars Hundehütte, er bellte sie geschlagene zwei Stunden an. Ich setzte mich ins Treppenhaus, bis alles vorbei war, die Blondierte kam vorbei und sagte:
    – Oh, là, là!
    In der Küche lagen Scherben. Ich sammelte sie ein. Stück für Stück setzte ich zusammen: einen Teller, eine Schüssel, zwei Tassen und mit den Resten etwas, das bunt war und zu nichts zu gebrauchen. Das Glas warf ich weg.
    Mein Vater knallte mit den Türen, ich ging meine Mutter suchen und fand sie in meinem Zimmer, weinend über meine Wörterschachteln gebeugt. Alle verstreut, alle ausgeleert; Worthaufen, Zettelberge, Schnipsel, Streifen, Blätter, und jedes, das sie aufhob, ließ sie wieder fallen. Was für ein Durcheinander! Ein Wörtermeer, das raschelt und rauscht, kniehoch steht es in meinem Zimmer.
    Mein Vater flüsterte, er bewegte kaum den Mund, er redete am Telefon mit Tat, wollte zu ihm fahren, wollte etwas aufräumen, das er alte Zöpfe nannte. Er musste etwas von ihm wissen, weil er mit Onkel Curdin nicht mehr redete, weil er dort nicht mehr hinfuhr, erst nach seinem Tod wollte er wieder hinfahren, auf sein Grab spucken, alles ließ er sich nicht gefallen, auch wenn ihm das Haus fehlte im April.
    Mit meiner Mutter redete er auch nicht mehr. Sie musste zu Tante Joujou in die Churfirsten fahren. Fast alle ihre Kleider legte sie in den Koffer, für jede Jahreszeit etwas. Sie warf den Deckel zu, weinte, warf Lakritze, alle ihre Tabletten gegen das Himmelelend und eine frische Unterhose in die Handtasche. Nähzeug. Warf sich aufs Bett, drückte mir eine Packung Kaugummi in die Hand. Weinte, warf mich aus dem Zimmer.
    Ich schob mir drei Kaugummis in den Mund. In der Küche öffnete mein Vater ein Bier. Er rief meiner Mutter ein Taxi, ich sah es wegfahren, hörte ihn in der Küche auf und ab gehen. Stillstehen.
    – Geh Schneewittchen füttern. Wir fahren.
    Im Flur kam uns Toni entgegen. Er wollte sich umdrehen und wieder hinaufgehen, mein Vater ließ alles fallen. Er war fast so wütend wie Naturkatastrophe werden konnte, als er Toni die Faust aufs Auge schlug. Ich vergaß, meinen Kaugummi zu kauen; zäh und warm blieb er im Mund liegen. Die drei Hunde der Blondierten schlugen hinter der Tür Alarm. Mein Vater schwor flüsternd, er würde Toni nur wegen Milena nicht den Hals umdrehen, er versicherte ihm, dass Eli solche Hemmungen nicht hätte und ihn in irgendein Fundament irgendeiner neuen Einfamiliensiedlung gießen würde, wenn er davon wüsste. Dann warf er ihm den Schlüssel vor die Füße und sagte:
    – Gieß die verdammten Blumen, wir fahren zu Tat.
    Die Blondierte kam zur Tür heraus, es roch nach Haarspray, die Hunde niesten und tänzelten um uns herum, mein Vater hätte gern auch die Blondierte verdroschen und die Hunde in die Wurstfabrik gegeben, es war ihm anzusehen. Die Blondierte sah es auch, sie sah vor allem
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