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Moni träumt vom großen Glück

Moni träumt vom großen Glück

Titel: Moni träumt vom großen Glück
Autoren: Berte Bratt
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und Inge und Ruth kamen zum Nachmittagskaffee, wie immer an meinem Geburtstag. Ruth schenkte mir ein reinseidenes Tuch. Sie hatte es auf dem Seidenmarkt von Intra in Norditalien gekauft. Dann zeigte sie ihre Urlaubsbilder, die sie natürlich mitgebracht hatte. Ruth in einem Pedalo-Boot auf dem Lago Maggiore, Ruth unter einem rotblühenden Kamelienbaum im Stadtpark von Locarno, Ruth mit drei weißen Pfauen im herrlichen Garten auf der Isola Bella.
    Inge schenkte mir ein Sportmesser, ein echtes Lappenmesser, gekauft im nördlichsten Skandinavien. Dort war sie per Auto mit ihren Eltern gewesen. Alle per Auto, nur wir nicht. Natürlich hatte ich auch Ferienbilder. Klar, ein Bild von mir im Liegestuhl in Tante Hildes Garten, ein Bild von mir auf Tante Hildes Trecker vor Tante Hildes Heuwagen. Immer dieselben Motive. Der einzige Unterschied war, daß ich jedes Jahr ein bißchen größer und ein bißchen erwachsener aussah.
    Wir tranken Kaffee, aßen Geburtstagskuchen undplauderten. Im Laufe des Gespräches sagte Ruth plötzlich:
    „Im nächsten Frühjahr mache ich meinen Führerschein.
    Vati hat’s versprochen. Bin ich achtzehn, fange ich an.“
    Führerschein…. Führerschein…? Wäre das vielleicht…? Allerdings könnte ich mit hundert Mark keinen Führerschein machen. Aber wenn… wenn ich nun ganz energisch sparte, wenn ich nun Opas Hundertmarkschein zur Bank brächte, wenn ich mir ein Konto einrichten ließe und ganz eisern sparte, vielleicht könnte ich dann einen Führerschein machen! Ein Führerschein ist doch etwas, das man haben muß!
    Als ob Inge meine Gedanken gelesen hätte, sagte sie: „Ja, einen Führerschein muß man haben. Mutti sagt immer, in unserer motorisierten Zeit gehört ein Führerschein zu der Ausbildung der Jugend.“
    „Ja“, sagte ich langsam. „Aber was soll man damit, wenn man keinen Wagen hat?“
    „Määnsch“, meinte Ruth, „einen Wagen! Früher oder später kriegst du bestimmt einen. Alle Menschen haben doch ein Auto… beinahe alle“, fügte sie hinzu; denn es ist ja leider eine Tatsache, daß Mutti und ich keinen haben. Aber die Mädchen in unserer Klasse, d. h. ihre Väter, die haben ja beinahe alle einen. Nicht daß die Mädchen in meiner Klasse so reich sind, aber wer hat nicht jetzt einen Wagen? Die Väter haben vernünftige Gebrauchswagen, keine Luxuswagen, keine Superschlitten, abgesehen von Melittas Vater natürlich, aber das ist ein Einzelfall.
    Irgendwie motorisiert waren sie alle, außer mir, ja und Jutta selbstverständlich. Juttas Mutter ist auch Witwe. Aber sie hat keine sichere Anstellung, so wie meine eigene Mutter sie hat. Juttas Mutter ist kränklich, lebt von ihrer Rente, und dann hat sie eine Strickmaschine und strickt auf Bestellung. Es ist bestimmt nicht leicht für Jutta. Sie muß so viel entbehren, was wir anderen – sogar ich – haben. Ich hätte gern etwas für Jutta getan, wenn sie nur etwas zugänglicher gewesen wäre. Schade, bis dahin hatte ich nie einen richtigen Kontakt mit Jutta gehabt. Sonst, muß ich sagen, verstand ich mich sehr gut mit meinen Klassenkameradinnen. Und morgen würde ich sie alle wiedertreffen. Morgen würden wir uns als Unterprimanerinnen wiedersehen.
    Abends, als die Gäste weg waren, hatte ich ein Plauderstündchen mit Mutti. Ich erzählte ihr von meinem Plan: Ich wollte Opas Geld auf die Bank bringen und dann weitersparen, damit ich mit achtzehn Jahren meinen Führerschein machen könnte.
    „Nun ja“, sagte Mutti. „Vielleicht keine schlechte Idee! Es ist immer schön, ein Ziel zu haben, für etwas Bestimmtes zu sparen. Allerdings weiß ich augenblicklich nicht, woher wir einen Wagen nehmen sollten!“
    „Aber Mutti“, sagte ich. „Ein Wagen ohne Führerschein – damit kann man gar nichts anfangen! Aber ein Führerschein ohne Wagen – das ist doch besser. Denn irgendwann ergibt sich vielleicht die Gelegenheit, einen Wagen zu borgen oder zu mieten oder, wer weiß, in etlichen Jahren einen zu kaufen.“
    „Ja“, sagte Mutti, „das ist eine unwiderlegbare Logik. Also spare du, mein Kind, und gut, daß ich es weiß; denn es ist dir gewiß lieber, wenn ich dir künftig – zu Weihnachten zum Beispiel – Geld schenke statt etwas anderem?“
    „Unbedingt!“ sagte ich, und so war mein Entschluß gefaßt.
    An dem Abend dauerte es noch lange, bis ich einschlafen konnte. Ich lag da und stellte mir vor, wie schön es werden würde, wenn ich meinen Führerschein hätte und Mutti und ich, wenn wir ein bißchen Geld
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