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Mondkuss

Mondkuss

Titel: Mondkuss
Autoren: Astrid Martini
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Nicht jetzt, wo sie sich so sorgfältig geschminkt hatte, um ihm gegenüberzutreten.
    Erste Zweifel überkamen sie. Vielleicht war der Zeitpunkt nicht gerade günstig. Oder sollte sie es ganz lassen? Schließlich hätte er allen Grund dazu, sie ebenso kalt abzuweisen, wie sie es mit ihm getan hatte.
    Verflixt!
    „Alles wird gut … alles wird gut …“, murmelte sie ständig wie ein Mantra vor sich her, während sie sich noch bemühte, eine Parklücke zu finden, was gar nicht so einfach war. Als sie endlich fündig wurde, schaltete sie den Motor ab und bleib eine ganze Weile im Wagen sitzen. Ihr war übel. Außerdem zitterten ihre Knie. Und überhaupt … was hatte sie hier eigentlich zu suchen?
    Ich will den Mann zurückerobern, den ich von ganzem Herzen liebe , gab sie sich selbst Antwort und stieg schließlich aus. Mit einem mulmigen Gefühl näherte sie sich Rafaels Bar. Die Leuchtreklame war schon von Weitem zu erkennen, und als sie sich der Bar näherte, vernahm sie auch die Musik, die nach außen drang. Vor der glänzenden ebenholzfarbenen Tür blieb sie stehen, legte ihre Hand ans Herz und zwang sich, ruhiger zu atmen. Sie hörte laute Musik, Stimmen, fröhliches Lachen und kam sich vor wie ein Kind, das verbotenerweise durch das Schlüsselloch der Wohnzimmertür schaute, während die Mutter den Weihnachtsbaum schmückte.
    Mit Schwung wurde die Tür von innen aufgerissen, und sie wäre dem jungen Pärchen – das gerade im Begriff war, sich außerhalb ein wenig abzukühlen – fast in die Arme gepurzelt. „Nicht so schüchtern, junge Dame“, lallte der Mann und schob sie in das Innere des „Moonlight“. Das grelle Kichern der Frau an seiner Seite vermischte sich mit den lautstarken Basstönen der Musik, und der Lärm drohte sie zu erschlagen. Sie wollte gerade auf dem Absatz kehrt machen, als sie Rafael erblickte, der mit einem blendend aussehenden, schwarzhaarigen jungen Mann am Tresen stand. Er starrte sie an. Kein Lächeln erhellte seine Gesichtszüge. Im Gegenteil, seine Miene hatte sich augenblicklich verdüstert, als sich ihre Blicke trafen. Sie erblasste, dann zwang sie sich zu einem Lächeln. Es war allerdings ein recht gezwungenes Lächeln, das unsicher und verzerrt wirkte. Rafael machte keinerlei Anstalten, ihr Lächeln zu erwidern, geschweige denn auf sie zuzukommen. Lässig lehnte er am Tresen, hatte die Arme vor der Brust verschränkt und starrte sie einfach nur mit düsterem und äußerst unwilligem Blick an. Erneut wagte sie ein zögerliches Lächeln. Ihr Fokus war ganz und gar auf Rafael ausgerichtet. Alles andere hatte ihr Bewusstsein ausgeblendet. Steif stand sie da, mit leerem Kopf, der zusätzlich schmerzte und rumorte. Sie spürte, wie ihre Handflächen feucht und ihre Knie eine Nuance weicher wurden. Jetzt oder nie! Mechanisch setzte sie einen Fuß vor den anderen, näherte sich ihm mit steifen Schritten und einem flauen Gefühl in der Magengrube. Der eisige und auch spöttische Blick aus Rafaels Augen traf sie mitten ins Herz. „Hallo…“ Ihre Stimme war nur ein Hauchen. „Hallo“, erwiderte er kalt und schaute über sie hinweg. „Ich wollte…“ Verdammt, es sind so viele Worte in mir, doch nichts dringt nach außen. „Aber Rafael, willst du der jungen Dame nicht auch ein Gläschen Sekt anbieten? Wo sie doch schon mal hier ist.“ Diese Worte kamen von einem jungen Mann, der ganz in der Nähe stand. Rafael blickte nach wie vor eisig drein und dachte gar nicht daran, sich zu rühren. Marleen fühlte sich allein, verlassen und so einsam wie noch nie. In den kurzen Momenten, in denen ihr Hirn einen klaren Gedanken zuließ, erwog sie ernsthaft, den Raum zu verlassen. Doch dann machte sie sich erneut klar, warum sie eigentlich hier war. Entschlossen atmete sie tief durch und versuchte seinen abweisenden Gesichtsausdruck zu ignorieren. Sie legte ihre Hand auf seinen Arm, mit dem er sich auf der Theke abstützte, riss sie allerdings erschrocken zurück, als Rafael ihr „Verschwinde“ zuzischte. Das Blut stockte in ihren Adern. Dass er sie nicht mit offenen Armen empfangen würde, hatte sie gewusst, aber auf diese unverhohlene Feindseligkeit war sie nicht vorbereitet. Vor versammelter Mannschaft schickte er sie wie ein ungezogenes Mädchen davon. Der offenkundig homosexuelle schwarzhaarige Mann neben ihm begann laut zu lachen, blickte sie höhnisch an. Sie wäre am liebsten davongelaufen, um ihn anschließend hoffentlich auf ewig aus ihrem Gedächtnis verbannen zu können …
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