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Mondkuss

Mondkuss

Titel: Mondkuss
Autoren: Astrid Martini
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pflaumenfarbene Lackpumps mit Schnalle und Ziersteinen gesehen.“ „Die sind wunderbar, nicht wahr? Schuhe, für die frau töten könnte. Welche Größe tragen Sie?“ „Achtunddreißig.“ „Okay, kommen Sie bitte mit!“ Marleen folgte ihr quer durch das großzügige, geschmackvoll eingerichtete Geschäft. In einer Ecke stand ein Glastisch mit zwei bequemen Korbsesseln – eine Oase zum Verweilen, Entspannen und Verschnaufen, wenn eine Shoppingtour mal wieder marathonähnliche Züge angenommen hatte. Und dann waren sie in greifbarer Nähe – die sündhaft schönen und sicherlich auch teuren Schuhe. In Augenhöhe. Sie musste nur ihre Hand ausstrecken, was sie dann auch tat. Mit einem Leuchten in den Augen und einem Lächeln, dem man die Vorfreude ansah, suchte sie sich einen Platz, an dem sie die Schuhe anprobieren konnte. Zufrieden setzte sie sich auf eine smaragdgrüne Polsterbank und war froh, Nylons zu tragen, denn sie mochte diese Probiersöckchen nicht. Es dauerte nicht lange, und sie hatte das Objekt ihrer Begierde an den Füßen. Ein Glücksgefühl schoss durch ihren Körper, denn die Schuhe sahen nicht nur fabelhaft und kapriziös aus, sondern passten auch wie angegossen. Sie probierte ihre ersten Schritte. Auch wenn sie ein Faible für hohe Absätze hatte, so trug sie doch noch nie Schuhe mit derartig hohen Absätzen. Ihr Spann bog sich, ihre Füße erschienen ihr mit einem Mal nicht mehr als Gehwerkzeuge, sondern als erotische Signale. Sie schritt auf und ab, schaute unentwegt nach unten – und waren ihre Schritte zu Beginn noch etwas zögerlich, so wurden sie von Schritt zu Schritt mutiger, forscher, entschlossener. „Die Schuhe stehen Ihnen ausgezeichnet. Als wären sie für Sie gemacht.“ Marleen sah auf. Sie hatte die Verkäuferin vollkommen vergessen. Ein Zeichen dafür, wie sehr sie die Schuhe faszinierten. Sie lächelte. „Ich nehme sie.“ Sie bemerkte nicht, dass ein junger Mann sie durch das Schaufenster amüsiert beobachtete und in einem der Hauseingänge verschwand, als sie das Geschäft verließ. Glücklich presste Marleen die Tüte, in der ihre Errungenschaft steckte, an sich und schlenderte die parallel zur Zeil verlaufenden Sträßchen entlang zurück in Richtung Hauptwache, vorbei an interessant dekorierten Läden, Bistros, Boutiquen, Schmuckgeschäften und vielem mehr. Die Auslagen eines Buchhandels wandelten ihre oberflächlich darüber gleitenden Blicke in Neugier und schließlich in Interesse. Sie ging näher. Neben unzähligen Büchern über Tarot und Zukunftsdeutung blinkte eine Kristallkugel in Lila. Dahinter saß eine Zigeunerpuppe, deren Augen erschreckend lebhaft wirkten. In ihrem Schoß lagen Tarotkarten. Die Augen schienen Marleen zu fixieren und bis auf den Grund ihrer Seele zu blicken. Die Puppe war vollkommen violett gekleidet und hatte etwas, was man nicht beschreiben konnte, was aber unwillkürlich für Interesse sorgte. Sie saß neben einem Buch mit dem Titel „Leidenschaftlich lebendig“, welches außerdem zusammen mit Tarotkarten auf einem Schaufensterplakat angepriesen wurde. Leidenschaft! Was interessiert mich die Leidenschaft, schoss es durch Marleens Kopf. Außerdem hatte sie mit diesem ganzen Esoterikkram nichts am Hut. Was machte sie eigentlich hier? Schuld war diese Zigeunerpuppe mit ihrem durchdringenden Blick. Sie wandte sich ab und schlenderte weiter. Als sie sich in Richtung Börsenplatz wenden wollte, drang wunderbare Musik an ihre Ohren. Das Gefühl, als würde alles um sie herum stillstehen, bemächtigte sich ihrer. Ihr Atem wurde ruhig und tief. Mit geschlossenen Augen lauschte sie den Tönen der Straßenmusikanten, einem jungen Pärchen, das sang und spielte, als gäbe es kein Morgen, als wäre das ganze Glück der Welt in diesem Lied verborgen. Zerschlissene Schuhe, aber strahlende Gesichter, ihre Habseligkeiten in ein paar Plastiktüten verstaut, die am Rand lagen. Das Hochglanzposter mit dem schlanken Model in exklusiver Wäsche, welches im Hintergrund im Schaufenster des großen Kaufhauses hing, vor dem sie spielten, wirkte fast deplatziert. Regungslos verharrte Marleen eine geraume Zeit lang, lauschte, lächelte und fühlte sich für einen Moment herrlich frei. Erst als die Musiker eine Pause einlegten, beschloss sie weiterzugehen und sich nach einer Pizzeria umzuschauen. Ihr Magen signalisierte Hunger, was kein Wunder war, denn außer einer Tasse Kaffee am Morgen hatte sie noch nichts zu sich genommen. Bald hatte sie in der Nähe der
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