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Mondglanz

Mondglanz

Titel: Mondglanz
Autoren: Ann Aguirre
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hierher versetzt, wie mir Vel verraten hat.
    »Auftrag?«, fragt der Wachposten barsch.
    »Wir haben einen Gefangenen für Sektor 1167-A«, erwidert Vel vollkommen ruhig.
    »Wieso ist er bewusstlos?« Die Antwort scheint den Kerl nicht besonders zu interessieren.
    »Er hat Widerstand geleistet.«
    Die Kakerlake klappert angewidert mit den Klauen. »Als würde das irgendetwas ändern. Verrückter Abschaum. Transfercode?«
    Während Vel ihm die Zahlen- und Buchstabenfolge nennt, halte ich den Atem an.
    Der Wachoffizier gibt sie ein, und ein Lämpchen blinkt. Ist das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?
    Ich beginne zu zittern, kalter Angstschweiß läuft mir den Rücken hinunter. Hier unten bleiben zu müssen würde dem ziemlich nahekommen, was ich mir unter der Hölle vorstelle. Ich habe jetzt schon das Gefühl, als würden die Wände immer näher rücken.
    Aber ich schaffe das. Für Marsch. Ich knote meine Angst zu einem kleinen Klumpen zusammen und schlucke ihn hinunter.
    »Verifiziert«, sagt der Offizier nach einer schieren Ewigkeit und drückt auf einen Knopf. Die Hochsicherheitstür hinter ihm gleitet mit einem Zischen beiseite.
    Velith geht voraus. Er hat sich den Grundriss der gesamten Anlage genau eingeprägt. Wir kommen noch an zwei weiteren Checkpoints vorbei, aber der Trick funktioniert auch dort, und niemand stellt uns irgendwelche Fragen. Offensichtlich hatten sie hier noch nie Ärger und erwarten auch keinen. Gut für uns. Außerdem, wer würde schon versuchen, einen Gefangenen in die Minen hinein zu schmuggeln?
    Ich konzentriere mich darauf, mich möglichst wie ein Ithorianer zu bewegen. Bloß keine unnötige Aufmerksamkeit erregen. Aber die Ithorianer hier scheinen kaum Notiz voneinander zu nehmen. Selbst die Wachen wirken vollkommen niedergeschlagen. Wahrscheinlich wissen sie, dass sie die Schande, hierher versetzt worden zu sein, nie wieder loswerden. Das Einzige, was schändlicher ist, als hier zu arbeiten, ist hier als Gefangener zu landen.
    Wir sind eine ganze Weile unterwegs. Nach dem letzten Checkpoint gelangen wir in den eigentlichen Gefangenentrakt. Der gesamte Komplex ist unterirdisch in den Fels gehauen, und die Zellen sind nichts anderes als mit Gittern versehene Löcher, in denen die Gefangenen nicht mal das Allernötigste haben. Ich sehe keine Waschbecken, nicht einmal Toiletten in den Zellen; die Verurteilten leben und schlafen in ihrem eigenen Dreck. Unfassbar.
    Keiner rührt sich, als wir an den Zellen vorbeigehen. Die Gefangenen bleiben, auf der Seite zusammengerollt, auf dem Boden liegen und warten auf die nächste Misshandlung. Kein Wunder, dass sie so fügsam sind, nachdem sie in eine bessere Zelle verlegt wurden. Wahrscheinlich würden sie alles tun, um nicht wieder hierher zurückzumüssen.
    Und ich habe zugelassen, dass die Ithorianer Marsch hierher bringen. Ich ließ es geschehen. Mein Herz zerreißt.
    »Wenn sie ihn nicht ohne entsprechenden Vermerk verlegt haben, ist Marsch in der Zelle direkt vor uns, Sirantha. Wollen Sie einen Moment mit ihm allein sein, bevor ich Jael hineinbringe?«
    Beinahe hätte ich auf Universal geantwortet, schaffe es aber gerade noch, den Mund zu halten, und neige einfach nur den Kopf.
    »Dann werden Sie dies hier brauchen. Sie müssen es nur gegen das Schloss halten und warten.«
    Er drückt mir einen Codebrecher in die Hand. Ich habe selbst noch nie einen benutzt, nur Marsch und Velith dabei beobachtet. Aber man muss keine besonderen Tricks beherrschen, das Gerät macht die ganze Arbeit. Ich bedanke mich mit einem weiteren Nicken, und Velith zieht sich in eine Nische in der Felswand zurück. Ich bin dankbar, dass er mir diese Gelegenheit gibt, aber die Zeit drängt, und ich sollte schnell machen.
    Marschs Zelle sieht aus wie alle anderen: ein dunkles Loch im Fels, mehr nicht. Wenigstens ist er noch nicht so lange hier, und es stinkt nicht so erbärmlich. In dem schummrigen Licht kann ich nicht einmal sehen, ob er wirklich drin ist.
    Ich presse das kleine Gerät gegen die Tür und warte. Dann schwingt die Tür auf, und der Codebrecher zerfällt in seine Moleküle. Am ganzen Körper zitternd, betrete ich die Zelle. Nachdem sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, sehe ich Marsch in einer Ecke kauern.
    »Hätte nicht gedacht, dass es schon so bald wieder Zeit ist für die nächste Runde«, sagt er verächtlich, aber seine Stimme klingt müde, gebrochen.
    Verdammt, er denkt, ich würde zu den Kakerlaken gehören.
    Meine Hände zittern so
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