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Mondgeschöpfe (Phobos)

Mondgeschöpfe (Phobos)

Titel: Mondgeschöpfe (Phobos)
Autoren: Michael Schuck
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aufgelöst. Ein strahlend blauer Himmel grüßte die Urlauber. Die Sonne strahlte jetzt mit all ihrer Kraft. Sie schien mit einem Mal vom Ehrgeiz besessen, alle Schatten der Insel aufzulösen.
    Herwe sah Ragnos den oberen Balkon betreten. Fröhlich lachend grüßte er zu ihr hinunter.
    Irgendwas tief im Inneren des Vulkankegels schien genau auf diesen Augenblick gewartet zu haben. Es gab nach, und in Sekundenschnelle setzte sich dieses innere Nachgeben nach oben fort. Asche, Felsen, Erde brachen ein, fielen in unnennbare Tiefen. Schließlich senkte sich die Erde unter dem linken Flügel der Ruine, nicht viel, vielleicht einen Meter. Herwe spürte wie der Boden kräftig unter ihren Füßen schwankte, stark genug, um sie deutlich aus dem Gleichgewicht zu bringen. Ein Riss bildete sich in der Wand der Hotelruine und raste wie ein schwarz gezackter Blitz vom Erdgeschoss die Stockwerke empor, genau auf Ragnos zu.
    Er spürte die Gefahr und versuchte einen Schritt rückwärts zu machen, ins Gebäude hinein. Aber er war zu langsam. Der Riss verbreiterte sich nach oben, erreichte den oberen Balkon und riss ihn glatt aus der Verankerung. Sofort rutschte das Stück, auf dem Ragnos stand, schräg nach unten. Es schlug vehement auf den darunterliegenden Balkon auf und senkte sich über dessen Rand in den Innenhof. Ragnos fand auf der schrägen Ebene keinen Halt mehr. Er rutschte immer schneller in die Tiefe, bis seine hektisch zugreifenden Finger doch noch das abgerissene Ende einer Eisenmonierung, die wie ein großer Angelhaken krumm nach oben zeigte, zu fassen bekamen.
    In einer Höhe von zwanzig Metern hing Ragnos zwischen Himmel und Erde und schwankte hilflos hin und her. Knirschend senkte sich das Betonstück noch etwas tiefer. Ein durch Mark und Bein gehender Ton gellte in Herwes Ohren und ließ sie vermuten, dass das Eisen, an dem Ragnos hing, nicht mehr lange halten würden.
    Herwe erwachte aus der Faszination des Entsetzens, raste ins Haus und wollte die Treppe hinauflaufen. Aber sie fand nur noch die Trümmer der Stufen vor. Der Erdstoß hatte hier eine verheerende Wirkung hinterlassen. Sie rannte zurück in den Hof und sah Ragnos immer noch in luftiger Höhe. Des teils auf ihm liegenden und teils an ihm ziehenden Gewichtes müde, begann der fünfte Balkon plötzlich abzustürzen. Das Stück, an dem Ragnos hing, schwang zum Haus zurück, klatschte Ragnos gegen die Wand. Ragnos fiel auf den vierten Balkon und blieb dort bewegungslos liegen.
    "Halt durch!", schrie Herwe. "Ich hole Hilfe."
    Sie rannte die Auffahrt zurück. Aufgeregte Spanier kamen ihr schon entgegen gelaufen. Sie brauchte nicht lange, sie davon zu überzeugen, dass dringend die Feuerwehr zu holen wäre: "Cuerpo de bomberos, por pavor!", schrie sie fortwährend: "Bitte die Feuerwehr!"
    Nur eine halbe Stunde später holten sie Ragnos über eine Drehleiter nach unten. Er konnte sich kaum rühren, war durch den Schreck noch ganz starr. Er rutschte dem kräftigen spanischen Feuerwehrmann durch die Hände und landete auf allen Vieren auf dem Boden. Er klammerte sich geradezu an die bröckeligen Betonstücke. Die Betonpiste und auch der Innenhof waren inzwischen geborsten wie das Eis der Flüsse im Frühling.
    Ragnos schaute plötzlich starr nach oben, und es war dieser gehetzte Blick, der Herwe unvergessen bleiben sollte. Sie wurde ihn nicht mehr los.
    Dieser Punk vor ihr auf dem Boden hatte den gleichen Blick.
    Elquist spürte, wie Herwe sich verhärtete. Aber er war schon ganz auf das "Danach" fixiert. Er zog sie einfach weiter.
    Sie erreichten das "Seydlitz" und betraten das Foyer.
    Herwe versuchte gerade ein freundliches und nichtkränkendes "Nein" vorzuformulieren, jedenfalls etwas unglaublich Kompliziertes, da schwebte Ragnos vor ihren Augen die Treppe hinauf, an seiner Seite eine wunderschöne Frau des mediterranen Typs. Herwe fuhr ein Stich durchs Herz.
    Es war ja schwachsinnig, eifersüchtig zu sein. Schließlich hatte sie Ragnos verlassen, als alle Vitalität in ihm erloschen schien. Aber dieser Ragnos hier strotzte nur so von Vitalität, und hatte er nicht versprochen, dass er sich im Erholungsfalle wieder bei ihr melden wollte? Ihr ging es gar nicht gut. Sollte sie Elquist nicht lieber einfach… stornieren? Sie fühlte sich so unentschlossen.
    Verkrampft versuchte Herwe eine gute Miene zu dem für sie bösen Spiel zu machen. Sie ließ den Gedanken des Rückziehers gegenüber Elquist blitzartig fallen. "Nun, Frau Roberts, let's go upstairs!" Elquist
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