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Mondgeschöpfe (Phobos)

Mondgeschöpfe (Phobos)

Titel: Mondgeschöpfe (Phobos)
Autoren: Michael Schuck
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Geschäftsleute, sowie einer Menge Wichtigtuer und jener weiblichen Gesellschaft, die durchaus bereit war, dafür zu sorgen, dass die in der harten Geschäftswelt zugezogenen Wunden und Verkrampfungen nicht zu sehr schmerzten.
    Die Verteilung der Geschlechter bei Menschen dieser Art war klassisch. Auf hundert Ban ker, Unternehmer, Manager, kam vielleicht eine Frau in ähnlicher Branche. Die meisten erfolgreichen Frauen, die ähnliche Entspannung suchten wie im "Tudor" die Männer, suchten sie woanders. Das "Tudor" war ein Ort für Männer.
    Ragnos betrat das Lokal und fand auf den ersten Blick Sigrid, die Herrscherin des Etablissements, die Frau, die alle Fäden zog. Und es waren nicht die hunderttausend Lichtblitze, die ihr strassbesetztes Kleid in alle Himmelsrichtungen warf, noch war es ihr Lächeln, das nicht nur blendend, sondern auch immer etwas gemein schien. Es war überhaupt nicht ihr äußeres Erscheinungsbild, das ihre Anziehungskraft ausmachte. Sie sah mehr aus wie eine alt gewordene Friseuse, die sich mehr aus Gewohnheit, denn aus Geschmack, die Haare blondiert. Es war vielmehr diese gigantische Ruhe, mit der Sigrid alles vollzog, was sie tat. Es war die Ruhe, die sie mächtig machte.
    Ragnos spürte sie wieder, als er sich ihr näherte. Seit er Dr. Valmonts Praxis verlassen hatte, kroch die Furcht vor einem Rückfall zum ersten Mal in ihm hoch.
    Ragnos überspielte den kleinen, kalten Hauch, der durch den Bambushain seiner Seele zog:
    "Hallo, Sigrid! Lange nicht gesehen. Wie geht es dir?"
    Sigrid wandte ihr Gesicht von der Bar ab ihm zu. Sie sah ihn an und ließ sich Zeit dabei. "Ich habe dich tatsächlich lange nicht mehr gesehen", sagte sie, "sehr lange."
    "Ich fühlte mich nicht besonders wohl." Er sah in Sigrids Augen. "Es ging mir sehr schlecht", fügte er hinzu. Er wollte einfach nicht mehr von sich preisgeben.
    "Jetzt, wo du dich wieder besser fühlst, kreuzt du im 'Tudor' auf, nur um der alten Sigrid guten Tag zu sagen. Das rührt mein zartes Herz." Ein Hauch von Lächeln schlich über ihre Augen.
    "Ich hoffe, du kannst mir eine Begleiterin vermitteln. Spanischer Typ vielleicht. Du weißt, diese Frauen mit den schwarzen Haaren und goldenen Haarenden. Ich weiß nicht, wie sie das machen, ob sie es machen oder ob es Natur ist."
    "Was ist schon Natur?" , warf Sigrid ein.
    "Allerdings darf sie nicht zu klein sein." Ragnos fühlte sich mit seinem langen, dürren Körper neben kleinen Frauen leicht deplaziert. "Der Größenunterschied könnte mich irritieren."
    Er blieb hart im Geschäftlichen. Sigrid war seine Kupplerin. Nicht seine Freundin. Auch wenn sie manchmal so tat. Aber das war ja nur Masche. Ihn irritierte Unklares. Die Dinge sollten bleiben, was sie sind. Die Dinge sollten sein, was sie zu sein schienen.
    "Aber natürlich ist das möglich. Für welche Zeit brauchst du sie?"
    "Wenn sie mir gefällt, brauche ich sie für zwei, drei Monate."
    "Wenn du ihr gefällst und sie gut behandelst, dürfte das kein Problem sein. Würde es reichen, wenn sie an fünf Tagen in der Woche zur Verfügung stünde?"
    "An fünf Tagen meiner Wahl?"
    "Geht in Ordnung! Alle Vereinbarungen laufen über mich. Keine Privatabsprachen über unsere hinaus! Dann kostet sie dich 5000 pro Woche und die Spesen kommen noch drauf."
    "Wie heißt sie?"
    "Ana- Maria. Aber sie ist nicht so fromm wie ihr Name klingt."
    "Ist sie gerade hier?"
    "Sie könnte in einer Stunde hier sein."
    "Perfekt. Ach Sigrid! Es ist schön, wieder in Welt der Lebenden zu sein."
    "Du hast recht Ragnos. Leben heißt kaufen. Wenn du nicht mehr kaufen kannst, bist du tot."
    Ragnos nickte. Das waren genau die Sätze, die Sigrids Image abrundeten. Sie hieß unter Freunden: The Rock.
     
    ****
     
    Als Herwe und Elquist die "Kamera" gegen 23.00 Uhr verließen, stolperte Elquist über einen am Boden sitzenden Menschen: Ein bettelnder Punk, und er spielte entsetzlich schrill und falsch Flöte. Offensichtlich erwartete er aus einem völlig fehlgeleiteten Wunschdenken heraus, jemand würde als Anerkennung für diese Art von Musik Geld in einen Schuhkarton werfen, den er vor sich hingestellt hatte. Wenn überhaupt jemand Geld zücken würde, dann mit der Auflage, dass er seine Musik einstellte.
    Elquist fluchte und versuchte sein Gleichgewicht wiederzufinden.
    Der Punk wurde zur Seite gestoßen, rollte auf den Bauch. Dann richtete er sich auf Knie und  Hände auf, und sah aus wie ein gehetztes Tier. Und dieser Blick stieß Herwe in den Schlund der Erinnerungen,
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