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Mømø im Legøland

Mømø im Legøland

Titel: Mømø im Legøland
Autoren: Arne Piewitz
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genauso sensibel und explosiv wie jede andere Endlagerung auch. Es handelt sich schließlich um euer Grundwasser, ihr braucht mehr alternative Landschaftsplaner, die sich mal ein bißchen kümmern; es genügt nicht, die Toten in
Containern zu stapeln, wenn man für die Lebenden was rausholen will. Die biologischen Überreste müssen platzsparend untergebracht werden. Da hat zum Beispiel mal einer ausgerechnet, daß auf den Friedhofsflächen von Karlsruhe eine Wohnsiedlung für gut und gerne 12 000 Menschen (lebende) gebaut werden könnte...
    Senkrecht? Senkrecht beerdigen kann nur eine Übergangslösung sein. Bei rund 750 000 Dahingeschiedenen jedes Jahr in diesem Lande wird's für die Anwesenden auch dann immer enger. Klar ist — es lassen sich zu wenig Leute verbrennen. Sie haben eine Sperre. Nicht mal ein Drittel will in die Urne. Die Menschen entwickeln keinen Sinn für effektive Sparmaßnahmen — das konnte man schon daran sehen, was es für einen Ärger gab, als sie merkten, daß die Schule (oder das Schwimmbad?) mit Krematoriumswärme beheizt wurde. Das war in Bayern, ist noch gar nicht lange her. Lieber bezahlen sie die teure Heizung aus dem E-Werk, lieber löhnen sie für teure Sargträger, lieber geben sie viel Geld aus für die teure Holzkiste und finanzieren den teuren Grund und Boden der Stadtverwaltung, als daß sie sich verheizt wissen wollen.
    Niemand beschäftigt sich ernsthaft mit der Frage, ob es nicht sinnvoll wäre, den Särgen wenigstens Sauerstoff zuzuführen, damit die Verwesung etwas flotter vorangeht. Oder ob man auf Dauer nicht überhaupt mit Säurebädern arbeiten muß. Oder wie man stillgelegte Bergwerksstollen als Deponien nutzbar machen kann. Oder Salzstöcke. Schacht Konrad zum Beispiel. Oder Gorleben...
    Was tun?!
    Ein augenfälliger Unterschied zwischen Mensch und Tier besteht Immerhin darin, daß keine Tierart feierlich seine Artgenossen bestattet. was also nicht geht, ist, daß ihr die Toten einfach irgendwo rumliegen laßt. Erstens gibt's bei euch weder Hyänen noch Geier, und zweitens ist es zu kalt, unangenehm auch, wenn man eine Bergwanderung unternimmt, und überall auf den Externsteinen gammeln z. B. tote Offiziere in vollem Wichs und Reih und Glied... Also, das läuft nicht. Was ihr außerdem nicht wollt, sind Chemie und Beton, so ein Hochhaus etwa, mit schmalen Gängen und Zehntausenden von Schließfächern, in denen Urnen oder Kisten aufbewahrt werden, das schränkt den individuellen Freiraum viel zu sehr ein und kommt deshalb überhaupt nicht in Frage. Die Möglichkeit, die Toten als Sammeltransport mit einem Nekromobil ins Weltall zu schießen, scheidet einstweilen auch aus, weil das Kosten-Nutzenverhältnis der Großindustrie noch nicht profitabel genug erscheint.
    Auch Seemannsgräber sind nicht jedermanns Sache und entfallen wegen Überteuerung. Die vier Elemente — Erde, Feuer, Wasser, Luft — könnt ihr also abhaken.
    Tja, der Tod gibt einem immer wieder zu denken.
    ich glaube, mir wäre an eurer Stelle der Platz direkt neben einer berstenden Neutronenbombe am liebsten. Totale versaftung — und wenn jemand Lust hat, kann er ja meine Klamotten und die Jackettkronen beim Roten Kreuz abliefern.
    Allerdings muß ich immer wieder daran denken: Es gibt nichts Gefährlicheres, als sich umbringen zu lassen.



23.

    Ich höre, wie Gabi eine Rückansicht von mir fotografiert. Hinter mir, unter dem Torbogen, fachsimpeln die Experten:
    »Dynamit. Eine Stange reicht massig.«
    »Dann hat er aber sofort die Bullen auf dem Hals.«
    »Ich würde da sowieso mit der Spitzhacke rangehen. Die muß ja nicht ganz weg, nur so weit, daß er geradeaus rübersteigen kann.«
    »Und was ist dann mit Hund und Wagen?«
    »Was soll sein, die müssen doch nicht geradeaus gehen. Die doch nicht, die können drumrum laufen.«
    Dann ein Zuruf: »Hau sie weg, Laui.«
    Ich spüre — die Telefonzelle möchte am liebsten fliehen.
    Also los.
    Öffne mit gemessener Gebärde, als sei ich Dr. Frankenstein am Krankenbett seiner Verlobten, Fritzis Brokdorfer Besteck-Kasten. Der Wurfanker soll es sein.
    Ich schlinge das Seil um die Zelle, mache einen grundsoliden Knoten und werfe den Anker auf die Ladefläche des nächsten Lkw, der vorbeifährt.
    Wenn ich gewußt hätte, wie leicht so eine Telefonzelle aus dem Fundament zu reißen ist, hätte Ich Gabi gebeten, das mit ihrem Motorrad zu erledigen. Dann müßte ich jetzt nicht einen neuen Wurfanker für Fritzi organisieren.
    Es ist ein echtes
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