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Mörderische Landschaften - Kriminelles aus dem Osten

Mörderische Landschaften - Kriminelles aus dem Osten

Titel: Mörderische Landschaften - Kriminelles aus dem Osten
Autoren: Sutton Verlag GmbH
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durch das Blätterdach und Mosine Klipp sah, dass es ihrem Kollegen besser ging. »Und Sie? Was haben Sie herausgefunden?«
    Walter hatte weiter drin im Theaterbauch bei den technischen Mitarbeitern geforscht. »Die Versenkung war wie immer mit Absperrband kenntlich gemacht«, erklärte Walter. »Der Weg zu ihrem Platz geht nicht an der Versenkung vorbei. Theoretisch kann ein Unfall ausgeschlossen werden.«
    »Deorettisch«, wiederholte Kommissarin Klipp spöttisch im Dialekt der Gegend. Polizeiinspektor Walter hatte sich unlängst in den Osten versetzen lassen. Und er fand die Idee, in die Stadt zu gehen, die eine Zeit lang Karl-Marx-Stadt geheißen hatte, sehr reizvoll, fast witzig. Matthias Walter war jung und anpassungsfähig, nur an eines konnte er sich einfach nicht gewöhnen, an das Sächsische. Seine Kollegin sprach normalerweise eine Art Ost-Hochdeutsch, besaß aber die Angewohnheit, in bestimmten Situationen   – wenn sie mit Ur-Chemnitzern sprach beispielsweise oder um etwas zu persiflieren   – in dieses schiefmäulige Sächsisch zu verfallen. »Deorettisch.«
    Am Bühneneingang des Theaters sahen sie die Leute von der Spurensicherung winken. Sie waren zu einem ersten Ergebnis gekommen. Und das erst rechtfertigte ihr Hiersein als Mitarbeiter der Mordkommission.
    »Selbstmord kann ausgeschlossen werden. Entweder ein Unfall, oder es hat sie jemand in den Graben gestoßen. Ihr Seidenschal wurde ihr zum Verhängnis. Er ist an einer Versatzklappe hängengeblieben und hat sie stranguliert.«
     
     
    Die andere Welt
     
    Es waren genau 25   Minuten zu Fuß von ihrer Wohnung auf dem Kaßberg bis zum Theater. So lange hatte Mosine Klipp am Mittag gebraucht. Zwar musste sie wieder Walters traurigen Hundeblick ertragen, er hätte sie so gern mit seinem neuen Cabriolet durch die Stadt chauffiert. Doch es war nicht mal seine Gegenwart, die sie beim Nachdenken störte. Nein, sie brauchte die Bewegung, um das Wirrwarr in ihrem Kopf durchsieben zu können. Auch jetzt am frühen Abend ging sie mit schnellen Schritten unter den Kastanien entlang.
    Oberhalb der Schleife, mit der die Kaßbergstraße die Markthallen umarmte, blieb sie stehen: Der gelbe Seidenschal und Beziehungen der Souffleuse im Ensemble   – das waren die beiden Punkte, die sie im Auge behalten musste. Wenn man in den ersten Einzelheiten steckte, verlor man schnell den Überblick.
    Im Park am Theater kam ihr Walter mit Neuigkeiten entgegen: Die Tote war nicht schwanger gewesen und hatte auch keine Medikamente genommen.
    »Komische Zusammenstellung von Nichtvorhandenem«, antwortete die Kommissarin. »Kümmern wir uns um das Vorhandene.«
    Walter verschwand in einem Gang, sein Gebiet war auch heute Abend wieder die Technik.
    Mosine Klipp folgte der Einladung des Regisseurs in die Probe.
    Hajo Blatzeck entschuldigte sich, dass weiterprobiert wurde, als sei nichts geschehen: »Es ist bald Premiere und eine Souffleuse ist leichter ersetzt als ein Hauptdarsteller.«
    Auf der Bühne war eine Art Café zu sehen: Eine Frau in einem eleganten Morgenrock und ein Mann in Arbeitskluft standen da und warteten. Ihre Gesichter waren noch privat und passten nicht zu den Kostümen.
    »Deswegen probe ich nur mit Frau Bernstein und Herrn Ponto. Die beiden Hauptpersonen Pierre und Eve begegnen sich im Totenreich. Sie stellen dort fest, dass sie sich lieben. Aber sie sind körperlos.«
    Mosine Klipp saß im Zuschauerraum in derselben Reihe wie Blatzeck, drei Sitze hatte er zwischen sich und ihr freigelassen. Er war Mitte Dreißig wie sie, schlank und wirkte nervös. Auf seiner Stirn hatten sich etliche waagerechte Falten gebildet, als er ihr das Stück erklärte. Nun wandte er sich der Bühne zu. »Wir beginnen mit dem Tanz.«
    Der Schauspieler legte die Hände auf die Taille seiner Partnerin und ohne Musik bewegten sich die beiden mit kleinen Schritten. Die Kommissarin war fasziniert von der Veränderung in den Gesichtern der beiden. Sahen sie vorher noch mürrisch oder müde aus, schienen sie jetzt auf eine Musik zu hören, die nur sie selbst vernahmen.
    Da unterbrach der Schauspieler brutal die Situation. »Ist doch alles nur Theater. Ich habe Ihre Taille nicht einmal berührt.«
    Die Sätze schienen zum Stück zu gehören, denn Blatzeck rief: »Zarter, Nico, zarter, das ist eine der wenigen Liebesszenen.«
    Nico blieb unzufrieden stehen. »Wieso, der ist doch völlig sauer. Ich habe Ihre Taille nicht einmal berührt. Das heißt doch auf deutsch, er kann sie nicht
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