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Moerderische Idylle

Moerderische Idylle

Titel: Moerderische Idylle
Autoren: Leif GW Persson
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vorgenommen werden sollte.
    Brundin kam zu anderen Schlüssen als seine Kollegen in Lund. Er war der Überzeugung, dass Mänsson an einer überaus ernsten psychischen Störung litt, und deshalb wurde Mänsson Ende März zu geschlossener psychiatrischer Verwahrung mit Option auf Entlassung verurteilt.
     
    Schon eine Woche nach Urteilsverkündung wurde Professor Brundin in einem der vielen gesellschaftlich relevanten Magazine des staatlichen Fernsehens ausgiebig interviewt. Er schilderte einen zutiefst gestörten Täter mit stark chaotischen Zügen. Diese wiederum ließen sich aus überaus traumatischen Erlebnissen in der Kindheit des Täters herleiten.
    Es handelte sich dabei nicht um Kriegserlebnisse wie bei den eher herkömmlichen chaotischen Tätern, aber in ihrer qualitativen Ausprägung und ihren Konsequenzen waren sie mit diesen absolut vergleichbar. Außerdem fielen sie unter die ärztliche Schweigepflicht, weshalb Brundin nicht näher darauf eingehen konnte. Es war jedoch nicht die Rede von einem sexuellen Sadisten mit voll entwickelten sexuellen Phantasien. Und auch nicht von einer reinen Chaospersönlichkeit. Eher hatte man es mit einer interessanten Zwischenform zwischen dem sexuellen Sadisten und dem chaotischen Täter zu tun.
     
    »Ich meine also, dass ich endlich sozusagen das fehlende Glied zwischen diesen beiden Grundtypen gefunden habe«, erklärte ein überaus zufriedener Brundin, der ansonsten sich und seinem neuen Patienten zu dem engen Kontakt gratulierte, den die Zukunft für sie beide bereithielt.
    »Glauben Sie, dass Sie ihn jemals werden heilen können«, fragte die Interviewerin.
    Bei allem Respekt vor ihr und ihrer Sendung hielt Brundin die Frage doch für falsch formuliert.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Es geht doch im Grunde darum, wie wir kommenden Generationen helfen können, Leuten, die so sind wie er«, erklärte Brundin. »Aber wenn Sie sich auf die Behandlungszeit beziehen, dann fürchte ich doch, dass dieser Patient einer verlorenen Generation angehört«, sagte Brundin, der außerdem ein belesener Mann war.
     
    Bäckström hatte die Sendung gesehen. Er saß zu Hause in seiner behaglichen Behausung in der Nähe der Wache, zusammen mit einem Bier, einem kleinen Maltwhisky, einer Krankschreibung, einer fast beendeten Voruntersuchung über sexuelle Nötigung, im braunen Umschlag steckte noch so einiges, und das Leben hätte wirklich schlimmer sein können.
    Aber es hätte doch gereicht, wenn sie aus dem Arsch einfach Leim gekocht hätten, dachte Bäckström, der trotz all seiner Fehler und Schwächen doch ein Mann mit einem starken Sinn für volkstümliche Gerechtigkeit war.
     
    97
     
    A m Freitag, dem 24. Oktober, hätte Linda Wallins Mutter vor dem Gericht in Växjö über ihre Beziehung zu dem Mann aussagen sollen, der ihre Tochter ermordet hatte. Am Vortag telefonierte sie mit Anna Sandberg, und sie beschlossen, dass Anna sie am folgenden Morgen in ihrem Sommerhaus abholen solle. Ansonsten ging es der Mutter jetzt endlich etwas besser, und sie freute sich darauf, die Sache endlich hinter sich lassen zu können, um sich der Trauer um ihre Tochter zu widmen.
    Als Anna Sandberg am Morgen eintraf, stand die Haustür sperrangelweit offen und schlug im Herbstwind hin und her. Und als sie die Lücke in der ordentlichen Reihe geschliffener Steine sah, die den sauber geharkten Kiesweg einfassten, wusste sie sofort, was passiert war. Die Taucher fanden die Mutter noch am selben Tag in vier Meter Tiefe. Ehe sie ins Wasser gegangen war, hatte sie einen Wintermantel mit tiefen Taschen angezogen und die Tasche mit Steinen gefüllt. Dann hatte sie sich einen Gürtel um die Brust geschnallt und ihre Oberarme damit gefesselt, für den Fall, dass sie ihren Entschluss in letzter Sekunde noch bereute.
    In der Brusttasche hatte sie ein Foto, das etwas über drei Jahre zuvor bei einem Mittsommerfest auf dem Gut von Lindas Vater aufgenommen worden war. In der Mitte eine lachende Linda, zwischen ihrer Mutter und ihrem Mörder. Außerdem hatte jemand die Gesichter von Lotta Ericson und Bengt Mänsson mit Filzstift eingekreist und »Mörder« darübergeschrieben. Der Umschlag, der mit der Post gekommen war, lag auf dem Küchenboden, wies keinen Absender auf und war am Mittwoch in Växjö abgestempelt worden.
    Die Ermittlungen zu diesem Todesfall waren längst abgeschlossen, als der Prozess zu Ende ging, und das Ergebnis war schon klar gewesen, als sie gefunden wurde. Lindas Mutter hatte sich das Leben
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