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Moerderische Familienbande

Moerderische Familienbande

Titel: Moerderische Familienbande
Autoren: Anne George
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zu wissen. Interessiert es dich nicht, von wem du abstammst?“
    „Ich stamme von Mama und Papa und Nanna und Großpapa ab. Und Großmama Alice. Das reicht mir.“
    „Aber denk doch mal an all die Leute, deren Gene wir in uns tragen. Woher hat Haley zum Beispiel ihre olivfarbene Haut? Rotblondes Haar und olivfarbener Teint? Keine gewöhnliche Kombination.“
    „Aber sehr hübsch.“
    „Absolut. Aber woher kommt das?“
    „Die Haare hat sie von mir. Und Schwesterherz hat olivfarbene Haut. Und irgendwas von dir hat sie sicherlich auch.“
    „Sie hat sich großartig amüsiert, stimmt's?“
    Die Unterhaltung hatte schon wieder eine Neunzig-Grad-Wende gemacht. Nach vierzig Jahren war es aber kein Problem, ihr zu folgen.
    „Großartig.“
    Haley ist unser jüngstes Kind und seit über zwei Jahren Witwe. Sie und ihr Mann Tom hatten direkt vom College weg geheiratet, aber die Familiengründung aufgeschoben, bis sie sich beruflich etabliert haben würden. Haley ist Krankenschwester und arbeitet in der Herzchirurgie. Tom kletterte die Karriereleiter eines der größten technischen Betriebe von Birmingham empor. Mit zweiunddreißig wa-
     
    ren sie gerade dabei, über ein Baby nachzudenken, als ein betrunkener Autofahrer allem ein Ende setzte. Lange Zeit war Haley so sehr in ihren Kummer versunken, dass wir uns fragten, ob wir unsere Tochter wohl je noch einmal lachend und glücklich sehen würden. Aber in den letzten Monaten war sie wieder mehr sie selbst gewesen. Sie so fröhlich zu sehen wie heute auf der Hochzeit, tat unseren Herzen gut.
    Wir bogen in unsere Straße ein, die in einem netten Viertel mit Gehsteigen und Veranden lag. Die jungen Blatttriebe an den Bäumen schimmerten grün.
    „Alan und Lisa sind noch nicht zurück. Wahrscheinlich kommen sie erst spät“, sagte Fred und tätschelte mein Bein.
    „Dann hast du ja noch Zeit, um für mich zum Lebensmittelladen zu gehen“, sagte ich. „Ich habe den Einkaufszettel schon geschrieben.“
    Fred drückte mein Bein ein wenig fester. „Ich will nicht, dass der Obst- und Gemüsemann diese speziellen Grapefruits für dich hortet.“ Bein weiter hoch und kräftiges Drücken.
    Wir gingen lachend ins Haus.
    Als ich später unseren alten Hund Woofer zu seinem Nachmittagsspaziergang ausführte, dachte ich an Debbie und Henry und wie viel sie übereinander erfahren würden und wie viel ihnen immer voneinander verborgen bleiben würde. Aber vielleicht ist das Geheimnis erfolgreicher Ehen, dass es nach wie vor Tiefen zu ergründen gibt. Dass Überraschungen möglich sind. Und natürlich gehört auch eine Menge Glück dazu.
    Ich teilte diese Überlegung Mitzi Phizer mit, einer Nachbarin und alten Freundin, die draußen in ihrem Garten stand und einen Strauß Tulpen pflückte.
    „Nein“, sagte sie. „Ich habe Arthurs sämtliche Tiefen in
     
    den letzten dreißig Jahren ergründet, und ich mag den alten Kerl immer noch. Was das Glück angeht, stimme ich dir allerdings zu.<- Sie reichte mir drei Tulpen. „Hier. Für deinen Küchentisch. Jetzt erzähl mir aber von der Hochzeit. Ich kann's nicht glauben, dass Barbara sich ausgerechnet den heutigen Tag für ihren Umzug ausgesucht hat und ich den Kleinen hüten musste.“ Sie deutete auf das Babyphon neben sich auf dem Boden und lächelte. „Hör, wie er schnarcht. Er ist ein solcher Schatz.“
    Mitzi hat wie viele unserer Generation lange auf Enkel warten müssen, und wenn man dann endlich welche bekommt, überwältigt einen dieses Wunder geradezu. Unser Sohn Alan und seine Frau Lisa haben zwei Jungs, nach denen wir ganz verrückt sind, aber sie kamen zur Welt, als wir im normalen Großeltern alter waren, und ich war damals noch sehr in meinen Lehrberuf involviert. Irgendwie, das wird mir allmählich klar, legen diese älteren Großeltern so etwas wie Scheu und Respekt an den Tag. Wahrscheinlich -das wird mir ebenfalls klar - geht es mir einmal genauso, wenn Haley ein Baby hat.
    Ich erzählte Mitzi, die mit dem einen Ohr mir, mit dem anderen dem Babyphon lauschte, von der Hochzeit. Von dem Kleid, der Musik, den Blumen, der Torte. Dem Hubschrauber.
    „Meine Güte. Da hat Debbie aber ganze Sache gemacht, was? Schade, dass ich nicht da war.“
    „Ja, das war schon eine Hochzeit“, stimmte ich ihr zu.
    Ein dünnes Zirpen aus dem Babyphon ließ Mitzi davoneilen. „Ich muss nach ihm schauen. Wenn Mary Alice die Fotos hat, will ich sie sehen“, rief sie.
    „Reservier dir am besten einen ganzen Tag dafür!“ Ich wickelte
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