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Moerderische Dividende

Titel: Moerderische Dividende
Autoren: Anne George
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einfach schon eine ganze Weile keine mehr mitgebracht.«
    Das war nicht so absonderlich, wie es klang. Wenn man aus Alabama stammt, ist ein Besuch am Grab unseres Football-Helden wie eine Wallfahrt.
    »Und wie war Bear beieinander?«
    »Er war tot, Maus. Ganz wie seit zwanzig Jahren.«
    »Nur sein Körper, Schwesterherz. Sein Geist lebt weiter.« Mary Alice musterte mich prüfend, überlegte, ob ich das wohl ernst meinte, beschloß, ja, und sagte: »Richtig.«
    »Mitzi Phizer war gerade hier«, sagte ich und nahm wieder meine Stickarbeit auf. »Sie will wissen, ob wir Lust haben, bei einem Investmentclub mitzumachen, denein paar Freundinnen von ihr ins Leben rufen. Ich sagte, daß ich Lust dazu hätte, aber nicht wüßte, wie du dazu stehst.«
    »Was für ein Investmentclub?«
    »Na ja, wir legen eine bestimmte Menge Geld zusammen und investieren es auf dem Aktienmarkt. Jede von uns studiert die Börse und macht Vorschläge.«
    »Coca-Cola lief für mich gut«, sagte Schwesterherz. »Sag ihnen, sie sollen Coca-Cola kaufen.«
    »Sag es ihnen selbst. Es wäre großartig, wenn wir jemanden dabeihätten, der schon was über den Aktienmarkt weiß.« Tatsächlich wußte ich, daß meine Schwester vom Aktiengeschäft soviel verstand wie von Quantenphysik. Sie hatte aber eine gerissene Beraterin.
    Schwesterherz schien sich geschmeichelt zu fühlen. »Wer wird denn alles mit dabeisein?«
    »Mitzi sagte, es sei die Idee einer Frau namens Joy McWain gewesen. Mitzi hat es von ihrer Freundin Connie Harris.«
    »Joy McWain mit den dicken Oberschenkeln?«
    Ich legte die Handarbeit nieder, sah meine Schwester an und stellte ihr eine einfache Frage: War ich die einzige, der solche Dinge wie dicke Oberschenkel in Werbespots entgingen?
    »Vermutlich. Diese gewaltigen Schenkel konnte man eigentlich nicht übersehen, Maus. Und die Frau trug so eine Cheerleaderkleidung: einen kurzen weißen Faltenrock und rote Satinunterhosen. Mein Gott. Eine Cheerleaderin für Gebrauchtwagen.« Sie griff nach ihrem Glas, fischte ein Stück Eis heraus und stopfte es sich in den Mund.
    »Kau das bloß nicht.«
    »Mach ich ja nicht.« Mary Alice lächelte.«Meine Güte, du klingst manchmal wie Mama.«
    »Das ist kein Fehler.«
    »Nein.«
    Ich griff erneut zu meiner Stickarbeit. Ich vernahm ein verdächtiges knirschendes Geräusch, und Schwesterherz griff nach einem weiteren Stück Eis. Ich schlug in die Luft, weil ich zu weit weg war, um an sie heranzukommen. »Hör auf damit! Was ist los mit dir?«
    »Nervosität, vermute ich. Ich habe gleich ein Blind Date. Er holt mich in   –«, sie blickte auf ihre Uhr, »–   zweieinviertel Stunden ab.«
    »Wieso macht dich das nervös? Du hast doch ständig Blind Dates.«
    »Aber das hier ist wirklich blind. Er kann nämlich nicht sehen.«
    »Du meinst, er ist sehbehindert?«
    »Nein. Blind wie ein Maulwurf. Hat er selber so gesagt. Als er sich mit mir verabredet hat, sagte er: ›Sie werden sich erst daran gewöhnen müssen, Mary Alice, ich bin blind wie ein Maulwurf. Aber ich würde sehr gern heute abend mit Ihnen ausgehen.‹« Schwesterherz griff schon wieder nach einem Stück Eis. »Er heißt Judson Murphree. Ich habe ihn auf einer Benefizparty für das Museum kennengelernt. Er ist Bildhauer.«
    »Hört sich sehr sympathisch an.«
    Schwesterherz nickte. »Außerdem ist er dreiundvierzig und gutaussehend.«
    Mit einem krachenden Geräusch verschwand das Eisstück. Ich stand auf und nahm ihr das Glas weg. Allmählich begriff ich.
    »Was hast du ihm gesagt, wie alt du bist?«
    »Na ja, als ich mitbekam, daß er wirklich blind ist, habe ich irgendwie ein wenig den Kopf verloren. Ich sagte ihm, ich sei fünfundvierzig.«
    »Und was sonst noch?«
    »Ich sagte ihm, ich sei groß und blond, aber das stimmt ja auch, Maus.«
    »Und er hat sich mit dir verabredet.«
    »Na klar. Mit einer fünfundvierzigjährigen schlanken Blondine mit charismatischer Persönlichkeit? Selbstverständlich.«
    »Schlank?«
    »Er ist blind, Maus. Wie ich schon sagte, ich habe irgendwie den Kopf verloren.«
    »Und jetzt drückt dich dein Gewissen?«
    Mary Alice blickte mich verdutzt an. »Natürlich nicht. Ich habe bloß Angst, ich könnte irgendeine Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg fallenlassen.«
    Ich schwöre es: Eine Unterhaltung mit meiner Schwester ist wie Pingpong. Ich schlug den Ball zurück. »Warum solltest du irgendeine Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg fallenlassen?«
    »Weil ich Angst davor habe und es vermeiden will. Ich
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