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Modemädchen Bd. 2 - Wie Marshmallows mit Seidenglitzer

Modemädchen Bd. 2 - Wie Marshmallows mit Seidenglitzer

Titel: Modemädchen Bd. 2 - Wie Marshmallows mit Seidenglitzer
Autoren: Sophia Bennett
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nervös nach Krähe. Ich meine, die Métro ist toll, aber sie ist nicht gerade der Eiffelturm. Doch ich muss mir keine Sorgen machen. Krähes Mund steht offen und sie sieht aus, als wäre ihr Gehirn an einem anderen Ort, und zufälligerweise kenne ich sie gut genug, um zu wissen, dass sie gerade dabei ist, jede Einzelheit, die sie wahrnimmt, einzusaugen.
    Krähe hat ein fotografisches Gedächtnis. Sie wäre ein Ass bei der Spurensicherung.
    »Miss Lamogi, in welchem Winkel saß der Filzhut auf dem Kopf der Frau, die am Donnerstag vor zwei Wochen zwei Sekunden lang hinter dem Opfer herging?«
    »Dreißig Grad, Euer Ehren.«
    Na ja, wahrscheinlich würde sie nicht »dreißig Grad« sagen, aber sie könnte den Winkel genau skizzieren.
    Im Kopf erfasst sie jede Stufe, jede Kachel, jedes Plakat, jede Lampe, jedes Gesicht und jedes Outfit, das sie sieht. Ich glaube nicht, dass Krähe die Dinge in gut oder schlecht unterteilt. Nur in interessant oder langweilig. Und die Métro ist eindeutig interessant. Sobald wir bei Papa in der Wohnung sind, wird sie ihre schönsten Eindrücke auf ihrem Skizzenblock festhalten. Und bald werden wir sie in neuen Entwürfen wiedererkennen.
    Tatsächlich fängt sie schon in der Métro zu zeichnen an. Wir sind seit einer halben Stunde hier und sie hat nicht mehr gesagt als »Paris« und ein leises »Bonjour« zu Dad. Ich fange seinen Blick auf und zucke mit den Schultern. Die meisten Leute finden Krähe am Anfang ein bisschen schräg. Aber er ist Künstler. Er versteht so was. Er grinst zurück und dann wendet er sich Edie zu.
    »Nonie sagt, du ’ast ein … Website. Das ist toll. Wie läuft er so?«
    Oje.
    Oder, wie wir in Paris sagen, zut alors.

Es ist Punkt halb zwölf und wir befinden uns in der Église Saint-Roch, nicht weit vom Ritz. Es ist dieselbe Kirche, in der letztes Jahr Yves Saint Laurents Beerdigung stattfand. Sie ist sooo stilvoll und schön und glamourös und französisch.
    Es ist meine erste Beerdigung und ich weiß nicht genau, was ich für ein Gesicht machen soll. Ich meine, ich weiß, dass ich traurig sein soll, und das bin ich auch. Sehr traurig sogar. Aber es sind gleichzeitig lauter berühmte Modeleute da und deswegen bin ich auch tief beeindruckt und voller Ehrfurcht. Außerdem ist Krähe selbst so eine Art Modestar, sogar hier in Paris, und deswegen gucken die Leute ständig zu uns rüber, als wären sie auch beeindruckt uns zu sehen. Immer wieder ertappe ich mich dabei, dass ich den Augenblick genieße, bis mir einfällt, dass das nicht geht.
    Yvettes Sarg ist ein Traum. Er ist schwarz und glänzend, aber das sieht man kaum, weil er über und über mit weißen Lilien bedeckt ist. Große, kleine, sternförmige, glockenförmige. Ich wusste gar nicht, dass es Lilien in so vielen Größen und Formen gibt. Offensichtlich hat die gesamte Modewelt einstimmig beschlossen, dass Lilien in diesem Jahr die EINZIGEN Blumen sind, die angesagt sind.
    Als ich das erste Mal von Yvette gehört habe, dachte ich, sie wäre ein Produkt von Krähes Fantasie. Wie war es möglich, dass jemand, der schon für den großen Meister gearbeitet hat – Christian Dior persönlich –, noch am Leben war, geschweige denn, dass dieser Jemand ein kleines Mädchen aus Uganda kennt, das bei seiner Tante in einem Mietshaus in Kensington wohnt? Doch dann ist Granny ihr begegnet und es kam raus, dass die beiden sich von früher kennen, als Granny bei Dior Kundin war und zu den Anproben nach Paris gereist ist. Und dank Krähe wurden die ganzen Londoner Modeleute auf sie aufmerksam und mir ist klar geworden, dass Yvette praktisch eine Göttin war.
    Yvette war ein Genie im Umgang mit Seide. Junge Designer wie Krähe machen ihre Haute-Couture-Entwürfe selbst, doch in großen Modehäusern gibt es für so was Spezialisten. Der Designer wählt das Material und macht eine kleine Skizze, und die wird dann zu diesen genialen Frauen gebracht, die ein richtiges Kleid daraus nähen. Diese unglaublichen Schneiderinnen werden in den großen Modehäusern einfach nur Mains genannt, was »Hände« heißt. Könnte man ziemlich unhöflich finden, aber sie scheinen sich nicht daran zu stören.
    Pierre Balmain hat jahrelang versucht Yvette aus Diors Atelier flou , dem Atelier für Abendmode, abzuwerben. Ebenso der junge Valentino. Aber Yvette hat sich in eine junge Schneiderin aus dem Atelier tailleur verliebt, wo Wunderdinge mit Jacketts und Hosen vollbracht werden, und am Ende sind die beiden nach London gezogen, um
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