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MK Boeckelberg

MK Boeckelberg

Titel: MK Boeckelberg
Autoren: Arnold Kuesters
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Sprengmeister.«
    Mehmet Binici sah ihn stumm an.
    In den Augen seines Kollegen war etwas, das Heinzi Plaetzken nun doch stutzig machte. »Du meinst, Knochen?« Ungläubig wiederholte er: »Richtige Knochen? Von einem Menschen?«
    Binici nickte nur.
    Heinzi Plaetzken lachte, aber er klang unsicher. »Du wirst wohl nur ein paar alte Hundeknochen gefunden haben. Oder vielleicht die Reste von ’nem Köln-Fan.« Er grinste breit.
    Mehmet Binici lachte nicht.
    »Du meinst also im Ernst echte Knochen?« Der Baggerfahrer kletterte umständlich von seinem verschlissenen Fahrersitz und stieg steifbeinig von der Raupenkette. »Das glaub ich nicht. Komm.«
    Die beiden Arbeiter eilten am Betongerüst der alten Haupttribüne vorbei quer über den gepflasterten Platz, bis fast zum ehemaligen Stadionzugang am Schürenweg. Etwas kurzatmig blieb Heinzi Plaetzken vor der flachen Mulde stehen, neben der Mehmet Binici in der Aufregung seine Schaufel liegen gelassen hatte.
    »Da.« Mehr brachte Binici nicht hervor.
    Heinzi Plaetzken trat einen Schritt vor und stieß mit seiner Fußspitze vorsichtig gegen das unförmige Gebilde, das ein Stückchen aus dem Boden ragte.
    »Da. Siehst du. Ein Knochen.«
    Heinzi Plaetzken ging in die Hocke und zog dabei seine Arbeitshandschuhe über. Vorsichtig zog er an dem merkwürdigen Ding, bis er es ganz in der Hand hielt.
    »Donnerwetter. Es stimmt – ein Knochen. Aber ein kleiner. Ist bestimmt ein Hundeknochen. Mensch, Mehmet, für den Mist machst du hier so einen Aufstand und holst mich aus meinem warmen Bagger? Du stiehlst mir die Zeit, mein Freund. Ich fahr da gleich einmal drüber, und weg sind deine Knochen. Sieh zu, dass du hier vorankommst. Der Verein will den Gedenkstein heute noch oder spätestens morgen abholen.«
    »Guck, hab ich ja gesagt, da sind noch mehr, das sind Menschenknochen, Heinzi. Das müssen wir der Polizei melden. Ich habe solche Knochen schon mal auf dem Friedhof gesehen, als ich da gearbeitet habe.«
    »Mehmet, alter Kümmeltürke, du machst mich wahnsinnig. Lass mich endlich in Ruhe mit deinen Horrorgeschichten. Die glaubt dir doch kein Mensch. Sieh lieber zu, dass du das Fundament freikriegst.« Heinzi Plaetzken warf den Knochen zurück in die Mulde und ließ Mehmet Binici einfach stehen.
    »Sie werden sie finden.«
    »Na, und?«
    »Verstehst du nicht? Sie werden Hanna finden.«
    »Ja, und? Wird schon nix passieren. Sie werden ein paar Knochen finden, und dann ist gut. Reg dich nicht auf.«
    »Deine Ruhe möchte ich haben. Du machst es dir ziemlich einfach. Wir müssen etwas unternehmen.«
    »Dazu ist es jetzt zu spät. Das hättest du dir eher überlegen müssen.«
    »Mensch, wenn die rauskriegen, dass das Hanna ist, bin ich geliefert. Erledigt. Ende, aus, fertig. Dann kann ich mir einen Strick nehmen.«
    »Mann, nun verlier nicht die Nerven. Ich sag’s noch einmal: Sie werden keine Verbindung zu dir finden. Hanna liegt seit zehn Jahren da. Da ist von ihr nichts mehr übrig. Außerdem haben wir ja vorgesorgt, wenn du dich erinnerst.«
    »Ich halte das nicht mehr aus. Die ganzen Jahre habe ich das nicht ausgehalten. Ich bin fertig. Verstehst du? Leer! Seit Jahren!«
    »Alle Achtung, das sieht man dem Strahlemann auf den Zeitungsfotos nicht an. Vergiss nicht, du bist perfekt, Mann. Denk daran. Dir wird schon nichts passieren! Und verlier jetzt nicht die Nerven, sonst bringst du am Ende noch eine Menge Leute in Gefahr. Und du weißt ganz genau, was das bedeutet.«
    »Droh mir nicht, mein Freund.«
    Er klappte das Mobiltelefon zu und ging zum Fenster. Nachdenklich sah er hinaus. Er legte eine Hand auf die Scheibe und sah zum Horizont. Irgendwo dort hinten war Mönchengladbach zu Ende. Von unten winkte jemand zu ihm hoch. Aber er reagierte nicht. Er hatte die freundliche Geste nicht einmal bemerkt. Er hatte Angst, große Angst.
    Ihm fiel etwas ein. Hastig drehte er sich um und griff zu seinem Mobiltelefon. Er tippte eine Nummer ein. Er brauchte dabei nicht einmal auf das Display zu sehen. Diese Telefonnummer kannte er blind.
    Der Anschluss war besetzt.
    Hanna. Der Name war nicht ihr wirklicher Name. Er hatte sie Hanna genannt, um nicht ihren richtigen Namen aussprechen zu müssen. Er wäre sonst verrückt geworden. So konnte er sich einbilden, nicht mitschuldig zu sein. Hanna klang so gut wie jeder andere Name, ein Allerweltsname. Der Selbstbetrug hatte funktioniert, über die Jahre war damit ihr richtiger Name verblasst. Wenn er an Hanna hatte denken müssen, war sie immer
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