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Mittsommernacht

Mittsommernacht

Titel: Mittsommernacht
Autoren: Mathilda Grace
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auf das, was wohl als Nächstes kam. Nebeneinander stehend sahen sie zu, wie die Sonne immer tiefer sank und schließlich gänzlich vom Himmel verschwand.
    Es wurde Nacht und mit ihr wurde der Wald plötzlich lebendiger. Magnus hörte Rascheln im Unterholz, leises Knacken, wenn Tiere auf Äste am Boden traten, oder ein Kratzen, wenn scharfen Krallen über Baumrinde liefen.
    „Du liebst es, oder?“, fragte Nate irgendwann leise, so als hätte er Angst, die Tiere zu stören. „Hier draußen zu sein, meine ich.“
    Magnus nickte nur. Worte waren manchmal unnötig, und das war so ein Moment. Ja, er liebte die Natur. Mit all ihren Facetten und auch Gefahren.
    Nate sagte nichts mehr.
    Ein Lächeln zupfte an Magnus' Mundwinkeln, als der Mond hinter den Wolken hervorkam. Er war nicht ganz voll, aber er würde hell genug leuchten, um ihm den Weg zurück zum Haus zu zeigen.
    „Ich muss mein Versprechen zurücknehmen.“
    Nates Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, aber sie bescherte Magnus umgehend eine Gänsehaut, weil er ahnte, was Nate mit seinen Worten meinte.
    „Ich werde dir folgen, Mag. Jedes Mal, wenn du vor mir wegläufst, folge ich dir.“
    Nates Fingerspitzen fuhren über seinen Unterarm bis zu seiner Hand hinunter, drückten sie kurz und zärtlich, ließen dann von ihm ab. Eine Geste, die ihm mehr sagte, als ein Buch mit einhunderttausend Worten es gekonnt hätte.
    „Als ich nicht sicher war, was du fühlst, konnte ich es nicht, weil ich mich nicht aufdrängen wollte … Aber jetzt weiß ich, dass du mich genauso willst. Ich lasse dich nie mehr gehen. Für mich bist du perfekt, so wie du bist.“
    Magnus schauderte. Er wehrte sich gegen die Freude, die ihn zu überwältigen drohte. Konnte es so leicht sein? Magnus wollte es nicht glauben. Wenn er Nate nachgab, würde er früher oder später mit Sicherheit verletzt und enttäuscht werden. Nate würde jemand anderen finden, der besser zu ihm passte, der nicht ständig den Schwanz einzog, oder eher seinen Bauch, und er würde am Ende zurückbleiben. Allein. Weil er nicht der Richtige für Nate war, auch wenn er es sich so sehr wünschte.
    „Du wirst mich alleinlassen.“
    „Warum sollte ich den Mann alleinlassen, der mir so viel bedeutet?“
    Weil ich kein Selbstbewusstsein habe. Ich tue immer nur so, als ob. Magnus sprach den Gedanken nicht aus, sondern schüttelte einfach nur schweigend den Kopf und starrte weiter den langsam aufsteigenden Mond an, um Nate nicht anschauen zu müssen.
    „Ich bin gestorben, Magnus.“
    Magnus runzelte die Stirn, denn Nate hatte so leise gesprochen, dass er nicht sicher war, ob er ihn richtig verstanden hatte. „Was?“
    „Mit siebzehn Jahren war ich eine ganze Minute lang tot. Verreckt an einer Überdosis Kokain.“
    Magnus drehte sich langsam zu Nate, der ihn ruhig ansah. Zu ruhig, für Magnus' Geschmack. „Tot?“
    Nate nickte. „Der Arzt wollte mich für tot erklären, als mein Herz auf einmal wieder anfing zu schlagen. Warum weiß keiner. Danach habe ich aufgehört und mein Leben völlig umgekrempelt. Ich habe Boston verlassen und ging nach Baltimore, um Arzt zu werden. Um Menschen wie uns zu helfen. Als ich jung war, hatte ich den Traum von einer Familie. Einer Frau und mindestens zwei Kindern. Tja, die Frau erübrigte sich, als ich mit vierzehn merkte, dass ich Jungs interessanter fand. Und die Kinder hatten sich erledigt, als meine Ärzte bei einer Untersuchung im Entzug herausfanden, dass ich zeugungsunfähig bin. Ob ich es schon immer war oder durch die Drogen wurde, konnte mir niemand sagen.“
    „Warum erzählst du mir das?“
    „Damit du begreifst, dass ich weiß, was in dir vorgeht, Mag“, antwortete Nate ruhig. „Ich habe Jahre gebraucht, um wieder ein normales Selbstbewusstsein zu entwickeln und noch mal genauso lange, um aus meinem Körper das zu machen, was hier neben dir steht. Ich war durch die Drogensucht so dünn, dass die Ärzte Angst hatten, ich würde daran sterben. Aber ich habe gekämpft und mich Schritt für Schritt wieder aufgerappelt.“ Nate lachte leise. „Ich hatte ein paar Jahre sogar Übergewicht, weil ich den Dauerstress im Studium mit Essen kompensiert habe.“
    „Du?“ Magnus sah Nate verblüfft an, der grinste und nickte.
    „Ja. Ich hatte einen schönen Wohlstandsbauch.“ Nate gluckste, als Magnus der Mund offenstehen blieb. „Ich habe Bilder davon, die zeige ich dir mal. Es hat mich im Übrigen nicht einmal sonderlich gestört. Ich habe später nur abgenommen, weil ich
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