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Mittsommernacht

Mittsommernacht

Titel: Mittsommernacht
Autoren: Mathilda Grace
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und er genoss es, an der freien Luft zu sein, den Geruch nach Bäumen, Wald und Gras tief einzuatmen. Magnus wusste nicht, wie oft er sich in den vergangenen Jahren am frühen Morgen oder abends aus dem Porter-Haus geschlichen hatte, um im Wald spazieren zu gehen. Immer nur so lange, dass er zurück gewesen war, bevor Jake die Alarmanlage eingeschaltet hatte.
    Hier gab es allerdings keine Alarmanlage. Hier gab es nur ihn, den Wald um ihn herum, den See vor ihm, und es gab Nate, dessen leise Schritte Magnus verrieten, dass er nicht länger allein war.
    Magnus sagte nichts, als Nate zu ihm aufschloss, sich neben ihn stellte und über den See hinweg blickte. Wenn Nate mit ihm sprechen wollte, würde er es tun. Es war an ihm zu warten, bis Nate dazu bereit war. Magnus stellte sich auf eine lange Wartezeit ein.
    „Ich wollte dir keine Angst machen, Mag“, sagte Nate bereits nach kurzer Zeit, die sie nebeneinander am Hang gestanden und den Sonnenuntergang beobachtet hatten. „Ich werde mich von dir fernhalten, bis wir am Sonntag abgeholt werden, ich verspreche es.“
    Magnus seufzte. Nate Schuldgefühle einzureden, war das Letzte, was er wollte. Auch wenn es die beste Lösung war; oder eher die einfachste, so ehrlich war Magnus sich selbst gegenüber dann doch. Es lag nun einmal nicht an Nate, sondern einzig und allein an ihm. Und das musste er Nate erklären, das war er ihm schuldig. Es war Zeit, dass er die Wahrheit aussprach, die ganze Wahrheit.
    „Ich wollte, dass du mich berührst.“ Magnus sah kurz zu Nate, der ihn aufmerksam betrachtete. „Ich will alles von dir, genau wie du alles von mir willst, auch wenn mir immer noch unbegreiflich ist, wieso das so ist. Aber ich kann es nicht … Warum, das hast du vorhin selbst erlebt. Das passiert immer, wenn ich … es versuche. Wenn ich Sex haben will. Ich drehe durch, sobald ich die Kontrolle verliere. Hättest du dich nicht zurückgezogen, hätte ich dich geschlagen. Aber das ist nicht deine Schuld. Nichts davon. Ich bin ein seelischer Krüppel, Nate.“
    „Wieso? Was ist der Grund dafür?“, fragte Nate ruhig und Magnus zuckte mit den Schultern.
    „Ich weiß es nicht genau. Vielleicht die Angst vor dem Wasser, vielleicht meine Drogensucht, vielleicht beides.“ Magnus trat einen Schritt vor, stand jetzt genau am Rand des Abhangs. „Jedes Mal, wenn ich versuche loszulassen, verliere ich die Kontrolle. Und dann liege ich auf einmal wieder in dieser stinkenden, dreckigen Seitenstraße, in der ich damals fast gestorben bin.“
    „Das ist ein Trauma, Mag. Dagegen kannst du ...“
    „Etwas tun?“, unterbrach Magnus Nate schneidend und lachte hart auf. „Was glaubst du denn, was ich seit über zwei Jahren versuche? Ich war deswegen sogar in einem Sexclub, um mich fesseln zu lassen, dass ich eben nicht davonlaufen kann. Ich bin extra nach Philadelphia gefahren, damit mich bloß niemand erkennt.“
    „Was?“, fragte Nate entsetzt und Magnus senkte den Blick zu seinen Schuhspitzen.
    „Ich hatte Glück, dass der Typ, bei dem ich war, mein Problem sofort erkannte. Er hat mich aus meiner Panik geholt und mir die Leviten gelesen, nachdem ich wieder alle meine Sinne beisammen hatte.“
    „Gott sei Dank“, murmelte Nate kaum hörbar.
    Magnus grinste schief. „Das weiß niemand, nicht mal Jake“, sagte er leise und fröstelte plötzlich. „Matt, so hieß er, hat gesagt, ich kann jederzeit wiederkommen, sobald ich dafür bereit bin. Nachdem ich eine Therapie gemacht habe und es wirklich will. Uns beiden war klar, dass das nie passieren wird.“
    „Das weißt du nicht, Mag.“
    „Doch, das weiß ich“, widersprach Magnus leise und fuhr zusammen, als er auf einmal Nates Hand an seiner Hüfte spürte. „Nate?“
    „Ich habe Angst, dass du abstürzt“, flüsterte Nate und Magnus sah irritiert auf den Abhang. So tief war er doch gar nicht. Im nächsten Augenblick verstand er, was Nate eben wirklich damit gemeint hatte, und trat einen Schritt zurück, worauf Nate vor Erleichterung seufzte.
    „Tut mir leid. Ich bin nicht selbstmordgefährdet … Na ja, jedenfalls nicht mehr, okay?“ Magnus warf noch einen Blick den Abhang hinunter. „Da runter … das gäbe einen Beinbruch, wenn überhaupt.“
    „Mag ...“
    „Schon gut“, murmelte Magnus und schob die Hände in seine Hosentaschen, weil er nicht wusste, was er mit ihnen anfangen sollte.
    Schweigen machte sich zwischen ihnen breit, aber es war nicht unangenehm, wie Magnus befürchtet hatte. Es war eher ein Warten
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