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Mitten in der Stadt - Borrmann, M: Mitten in der Stadt

Mitten in der Stadt - Borrmann, M: Mitten in der Stadt

Titel: Mitten in der Stadt - Borrmann, M: Mitten in der Stadt
Autoren: Mechtild Borrmann
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Aber das konnte er sich einfach nicht vorstellen. Die hätten damit rechnen müssen, dass ihnen auf der Gruft Polizeifahrzeuge entgegenkommen. Gut, es war ein Scheißwetter gewesen und Fußgänger gab es sicher nicht so viele, aber Autos. Es mussten doch andere Autofahrer unterwegs gewesen sein. Oder der Wagen war noch hier. Irgendwo versteckt.
    Er streckte seine langen Beine unter dem Schreibtisch aus und spulte das Band vor. Die zweite recht interessante Szene war der Augenblick, als der Fahrer seine Mütze hochschob. Er musste gewusst haben, wo die Kamera steckte, obwohl sie nicht sichtbar in einem Regal eingebaut war. Trotzdem wirkte es so, als würde er für einen Augenblick direkt hineinschauen. Wie eine Provokation. Erst dann drehte er sich nach rechts, legte den Arm auf die Lehne des Beifahrersitzes und zog die Mütze hoch.
    Noch einmal sah er sich die Szene an. Ein Klopfen an der offenen Bürotür schreckte ihn auf. Linda Vergeest stellte sich hinter seinen Stuhl und blickte über seine Schulter hinweg auf den Bildschirm. Er drückte die Stopptaste.
    „Schau dir das mal an, Linda. Was meinst du? Weiß der, dass er in eine Kamera sieht, oder nicht?“ Sie stellte sich neben ihn, stützte ihre Hände auf den Schreibtisch und fixierte den Bildschirm. Sie roch nach kaltem Zigarettenrauch. Normalerweise störte ihn das, aber nicht bei Linda. Sie arbeiteten seit fünf Jahren zusammen. In Linda paarte sich ein schneller Verstand mit einem allzu losen Mundwerk. Karrieretechnisch eine ganz fatale Kombination. Es gab wohl niemanden im Präsidium, dem sie noch nicht auf die Füße getreten war. Zu Anfang hatten sie die allergrößten Probleme miteinander gehabt. Linda begegnete allem und jedem mit unverhohlenem Misstrauen. Es hatte fast ein Jahr gedauert, bis sie es ihm gegenüber abgelegt hatte.
    Noch einmal verfolgten sie auf dem Bildschirm, wie der Fahrer sich in Richtung Kamera drehte und dann abwandte. Linda schob ihre ausladende rechte Pobacke auf seinen Schreibtisch.
    „Sieh an, sieh an. Rambo will ins Fernsehen.“
    Sie verschränkte die Arme unter Körbchengröße D. „Das würde bedeuten, dass sie zumindest in diesem Fall interne Informationen hatten. Aber selbst wenn sie sich in den Tagen vor dem Überfall im Laden haben blicken lassen, können sie die Kamera doch nicht entdeckt haben, oder?“
    Vincent Grube tippte mit der Rückseite eines Kugelschreibers auf die Schreibtischunterlage.
    „Kann ich mir nicht vorstellen. Wir haben sie auch nicht gesehen. Berger hat uns gezeigt, wo sie steckte.“
    Er griff zum Telefon und wählte. „Moment mal, Berger kommt in einer Stunde her.“
    „Tag, Herr Berger, Grube hier, Raubdezernat! Könnten Sie wohl die Bänder der Überwachungskamera von den letzten zwei Wochen mitbringen?“
    „…“
    „Warum nicht?“
    Linda stand auf. Er hielt sie am Arm fest und bedeutete ihr, noch zu bleiben.
    „Also direkt an den PC?“
    „…“
    „Und das macht das Programm automatisch? Jeden Tag?“
    „…“
    „Ja, erstmal vielen Dank, Herr Berger.“
    „…“
    „Nein, unser Termin ist deswegen nicht hinfällig … Ja, bis später.“ Er legte auf und drehte sich mit seinem Schreibtischstuhl schwungvoll in Lindas Richtung.
    „Die Aufzeichnungen werden automatisch auf seinem PC gespeichert und … gelöscht! Man hat immer nur auf die letzten beiden Tage Zugriff. Manchmal kotzt mich dieser ganze computergesteuerte Scheiß richtig an.“ Er warf den Kugelschreiber auf den Schreibtisch.
    Linda ging zur Tür, drehte sich noch einmal um. „Ach, warum ich eigentlich gekommen bin. Dieser angefahrene junge Mann liegt im Koma. Schädelbruch. Außerdem haben wir die Zeugenaussagen jetzt fast vollständig. Der Junge ist ganz offensichtlich absichtlich angefahren worden.“
    Grube starrte zum Fenster hinaus. Knospende Weidenzweige wiegten sich vor dem Fenster sacht im Wind.
    Da passte was nicht! Wieso sollten die plötzlich so durchknallen? Selbst wenn dieser Luca das Gesicht des Fahrers gesehen hatte, es war dunkel. Beim BKA ging man davon aus, dass es sich bei den Tätern um Polen handelte. Aber durch alle Berichte der Kollegen zog sich wie ein roter Faden die Einschätzung, dass sie darauf geachtet hatten, dass keine Personen zu Schaden kamen. In Stuttgart hatten sie den Überfall sogar abgebrochen, als ein Wachmann auftauchte. Sie waren einfach wieder in den Wagen geklettert und ohne Beute abgehauen.
    Dafür waren sie in seiner höchsten Kategorie gelandet.
    Wieso jetzt
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