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Mitten in der Stadt - Borrmann, M: Mitten in der Stadt

Mitten in der Stadt - Borrmann, M: Mitten in der Stadt

Titel: Mitten in der Stadt - Borrmann, M: Mitten in der Stadt
Autoren: Mechtild Borrmann
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hoher Geschwindigkeit die Straße herunterraste, nahmen sie erst im letzten Augenblick wahr. Erschrocken sprangen sie zur Seite. Luca fing sofort an zu schimpfen: „Viaffanculo!“ Sie sahen dem Wagen nach. Er umfuhr mit quietschenden Reifen den Lohengrinbrunnen und raste gut dreihundert Meter von ihnen entfernt in das Schaufenster des Juweliergeschäftes. Mit einem Knall barst die Panzerglasscheibe, und man hörte das Niederprasseln der Glassplitter wie einen heftigen Regenschauer. Vittore und Roberta kamen herausgelaufen. „Der hat die Kurve nicht gekriegt“, rief Luca, „der war viel zu schnell.“ Für einen Augenblick standen sie staunend. Der schwere Geländewagen hatte sich weit in den Verkaufsraum des Juweliergeschäftes hineingebohrt. Erst jetzt begann die Alarmanlage zu schrillen.
    In den Wohnungen über den umliegenden Geschäften gingen Lichter an, Fenster wurden geöffnet. Der durchdringend hohe Ton der Alarmanlage machte das absurde Bild real, rüttelte Vittore und Luca aus ihrer Erstarrung.
    Sie rannten die Straße hinunter, wollten den Verunglückten zur Hilfe eilen. Wenige Meter vor dem Unglücksort blieben sie abrupt stehen. Zwei vermummte Männer liefen durch den Laden, räumten die Auslagen aus, die Vitrinen und Verkaufstheken. Erst jetzt nahm Luca die spitz zulaufende Eisenkonstruktion vor dem Frontschutzbügel wahr. Der Mann, der im Wagen zurückgeblieben war, trat immer wieder im Leerlauf auf das Gaspedal. Das Heulen des schweren Motors vermischte sich mit dem Fiepen der Alarmanlage, schien es anzustacheln.
    Vittore und Luca standen mitten in der Fußgängerzone, vielleicht zwanzig Meter vom Schaufenster entfernt. Plötzlich schob der Fahrer seine Mütze hoch, sah nach hinten und setzte den Wagen zurück. Die beiden anderen Männer liefen mit Plastiktüten aus dem Laden direkt auf Vittore und Luca zu, die jetzt unmittelbar neben dem Wagen standen. Sie sprangen in das Auto. Noch einmal heulte der Motor auf, noch einmal setzte das schwere Fahrzeug zurück.
    Vittore erkannte die Absicht. Er griff nach dem Arm seines Neffen und riss ihn zurück. Der Außenspiegel erfasste Lucas Schulter, schleuderte ihn auf das Pflaster. Dann raste der Wagen über den Hasenberg davon.
    Luca schaute sich benommen um. Er sah in Vittores entsetztes Gesicht, hörte unter dem Lärmen der Alarmanlage, wie Roberta immer wieder seinen Namen rief. Langsam erhob er sich. Seine Schulter schmerzte, der Kopf dröhnte. Roberta erreichte ihn endlich, zog ihn an sich, streichelte sein Gesicht, küsste ihn unter Tränen auf Stirn und Wangen.
    Nur zwei, vielleicht drei Minuten später vermischte sich das Schrillen des Alarms mit dem auf- und absteigenden Singsang von Martinshörnern. Zwei Polizeifahrzeuge kamen die Fußgängerzone heraufgefahren. Luca erhob sich schwankend. Polizisten liefen in das zerstörte Juweliergeschäft.
    Weitere zwei bis drei Minuten vergingen, ehe das ohrenbetäubende Heulen der Alarmanlage erstarb.
    Die Ruhe war wie ein Erwachen. Gespenstisch jagte der fahle Schein der Blaulichter über die Häuserwände. Ein spukhafter Takt, der die Schaulustigen anzog.
    Menschen mit hastig übergeworfenen Jacken, andere in Pantoffeln und Bademänteln hatten ihre Beobachtungsposten an den Fenstern aufgegeben und kamen auf die Straße. Polizisten sprachen in Funkgeräte, liefen hin und her, begutachteten Lucas Verletzungen, orderten einen Krankenwagen, brüllten nach Absperrband, scheuchten die Neugierigen zurück. Juwelier Bergers silberfarbener Mercedes hielt vor dem Drogeriemarkt. Zwei weitere Zivilfahrzeuge parkten unmittelbar vor dem Tatort. Polizisten in Zivil, Männer der Spurensicherung. Vittore, Carmen, Roberta und Luca saßen auf den Stufen des Brunnens und warteten auf den Krankenwagen. Carmen zog ihre Strickjacke aus und legte sie Luca um die Schultern. Langsam löste sich auch bei Roberta der Schock. Ein Polizist kam, schrieb Namen und Adressen auf, wollte wissen, was sie gesehen hatten.
    Vittore schluckte und wollte zu sprechen ansetzen, aber Roberta war schneller. „Ja, einen Geländewagen. Er ist die Straße heruntergerast und hat versucht Luca umzubringen.“
    Vittore drehte sich um und schüttelte den Kopf. „Roberta!“, sagte er mahnend.
    Ob sie die Täter beschreiben könnte, fragte der Beamte. „Schwarz“, antwortete Luca. „Schwarze Skimützen mit Löchern für die Augen. Schwarze Hosen und Jacken. Handschuhe.“ Er schüttelte den Kopf, wieder wurde ihm schwindelig. Übelkeit stieg auf. Er
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