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Mitten in der Stadt - Borrmann, M: Mitten in der Stadt

Mitten in der Stadt - Borrmann, M: Mitten in der Stadt

Titel: Mitten in der Stadt - Borrmann, M: Mitten in der Stadt
Autoren: Mechtild Borrmann
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schluckte. „Nur der Fahrer, der hat beim Rückwärtssetzen seine Mütze kurz auf den Kopf geschoben. Ich glaube, der konnte mit der Mütze nicht nach hinten sehen.“
    Noch während er das sagte, wurde seine Stimme leiser.
    Irritiert sah er zu seinem Onkel hinüber. Der hatte eine tiefe Längsfalte über der Stirn und blickte ihn eindringlich an.
    Der Polizist fragte routiniert: „Würden Sie ihn wiedererkennen?“
    Ein kurzes Zögern.
    „Nein“, Luca wich seinem Blick aus, „nein, das ging alles viel zu schnell!“ Wieder wurde ihm übel.

2
    Hauptkommissar Vincent Grube vom Raubdezernat entfaltete seinen langen Körper, als er aus dem Mazda stieg. Er brauchte nur einen Blick, um zu erkennen, dass er es hier mit einem Überfall zu tun hatte, der zu einer bundesweiten Serie gehörte. Seit gut neun Monaten gingen die Männer nach dem gleichen Muster vor. Sie fuhren nachts mit einem Geländewagen, dem eine massive, dreieckige Stahlkonstruktion auf den Kühlergrill montiert war, in die Fenster oder Türen von Juweliergeschäften. Sie brauchten nur wenige Minuten, packten zusammen, was Schaufenster und Vitrinen hergaben, und verschwanden, ehe die Polizei vor Ort war. Sie suchten sich die Geschäfte aus, die entweder breite Panzerglastüren besaßen oder, wie hier, Schaufenster, die bis zum Boden reichten.
    Unter seinen Schuhen knirschte das zerborstene Glas. Große Teile der Scheibe steckten noch im Rahmen. Bizarre Gebilde, die in das Ladeninnere ragten.
    Er hatte den braunen Kordkragen seiner Barbourjacke hochgestellt und schritt missmutig hinüber in das Geschäft.
    Das fehlte ihm gerade noch. Jetzt würde man von ihm Zusammenarbeit erwarten. Kooperation mit LKA, BKA und den Polizeidienststellen der vorherigen Tatorte. Konferenzschaltungen und ellenlange Besprechungen. Dieses nervige Palavern, bei dem es sowieso nur darum ging, wer mehr zu sagen hatte. „Zuständigkeiten abklären“ war sein ganz persönliches „Unwort“.
    Als er im Laden stand, konnte er nicht umhin, Planung und Dreistigkeit der Tat einen gewissen Respekt zu zollen. Das hatte er sich in den letzten Jahren angewöhnt. Immer, wenn er einen Tatort aufsuchte und die wichtigsten Fakten kannte, packte er die Täter in seine Bewertungsskala. Es gab die Rubriken „spontan und dumm“, „geplant und dumm“, „spontan und pfiffig“, „geplant und pfiffig“, und es gab so was wie hier. Geplant, professionell und dreist!
    Er betrachtete seine Fälle wie Pokerpartien, und wie beim Pokern machte ihm seine Arbeit nur Freude, wenn er einen einigermaßen guten Gegenspieler hatte. Die Kategorie „geplant und dumm“ beleidigte ihn. Wenn jemand in einem Verhör sagte: „Wir hatten das alles gut geplant, aber nicht bedacht …“, dann musste er das Zimmer verlassen. Solche Sätze machten ihn fuchsteufelswild. In den ersten Jahren im Raubdezernat hatte er sich noch auf Diskussionen eingelassen, hatte gesagt: „Wenn man etwas nicht bedacht hat, dann war es nicht gut geplant. Das ist ein Widerspruch. Verstehen Sie das?“ Inzwischen ging er einfach aus dem Raum. Er erwartete in gewisser Weise von seiner Klientel vernünftig durchdachte Arbeit. Alles andere waren Respektlosigkeiten, mit denen er sich nur ungern abgab.
    Hier nun, wenn es tatsächlich wieder die gleichen Täter waren, hatte er es mit seiner Lieblingskategorie zu tun, und wenn da jetzt nicht diese Kooperation mit den anderen Stellen dranhängen würde, hätte er sich richtiggehend gefreut. Nun gut, dem Fahrer musste er auf jeden Fall einen Punkt abziehen. Bisher waren bei den Überfällen nie Personen zu Schaden gekommen. Diesmal hatten sie den kleinen Italiener angefahren. Er war sich ziemlich sicher, dass es ein Versehen war, und so wie es aussah, war er auch nicht ernsthaft verletzt. Aber trotzdem!
    Der Juwelier kam auf ihn zu. Er reichte ihm gerade bis zur Schulter, aber das taten viele Männer. Die Jugendlichen hingegen erreichen immer häufiger Augenhöhe, und er hatte sich noch nicht entschieden, ob ihm das gefiel.
    Berger stand mit hängenden Schultern und Tränen in den Augen vor ihm. Er war unnatürlich blass. Grube hatte inzwischen ein Auge dafür, ob jemand unter Schock stand.
    Er ging zu einem der Uniformierten. „Hol mal einen von den Sanitätern rüber. Die sollen sich den Berger ansehen.“
    Berger bückte sich und hob ein Armband mit grünen Steinen auf. Ein mit Samt ausgeschlagenes Kunststoffkästchen lag auf einer zerschlagenen Vitrine. Sorgfältig legte Berger das
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