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Mitten in der Nacht

Mitten in der Nacht

Titel: Mitten in der Nacht
Autoren: Nora Roberts
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Bedienstete eilten im erfolgreichen Bemühen, unsichtbar zu bleiben, hin und her, um Feuer zu schüren, Gläser zu säubern und Befehle entgegenzunehmen.
    Auf dem Treppenabsatz öffnete er die Holzverkleidung. Die Geheimtür war geschickt in die Wand, die verblichene Tapete, die stumpf gewordene Täfelung eingelassen. Er war sich nicht sicher, woher er wusste, dass sie da war. Jemand musste sie erwähnt haben.
    Er starrte in den düsteren, muffigen Korridor. Teil des Kaninchenbaus der Bedienstetenkammern und Zugänge, wie er vermutete. Die Familie und ihre Gäste legten keinen Wert darauf, den Bediensteten über den Weg zu laufen. Ein guter Diener hinterließ bei seiner Arbeit keine Spuren, sondern verrichtete seine Aufgaben diskret, schweigsam und gut.
    Stirnrunzelnd versuchte Declan etwas zu erkennen. Woher kam dieser Satz? Von seiner Mutter? So stur wie sie auch manchmal sein mochte, etwas derart Gespreiztes hätte sie nie von sich gegeben.
    Achselzuckend schloss er die Tür wieder. Die Erforschung dieses Terrains würde er sich für einen anderen Zeitpunkt aufheben, wenn er eine Taschenlampe und einen Sack Brotkrumen dabeihatte.
    Er lief den Korridor entlang und warf kurze Blicke durch die Türen. Leere Zimmer im grauen Licht des Regens, voller Staub und dem Geruch nach Feuchtigkeit. Manche Wände waren tapeziert, von manchen waren nur noch die tragenden Elemente übrig geblieben.
    Salon, Arbeitszimmer, Bad – und das war gewiss das Billardzimmer, an das er vorhin gedacht hatte, denn die alte Mahagonitheke war noch immer an Ort und Stelle.
    Er ging hinein, um sie zu umrunden, das Holz zu berühren, in die Hocke zu gehen, um die Schreinerarbeit zu untersuchen.
    Auf der Highschool hatte seine Liebe zum Holz seinen Anfang genommen. Bis heute war es die Beziehung, die am längsten Bestand hatte. Er hatte eine Ferienarbeit als Hilfsarbeiter angenommen, obwohl seine Familie dagegen war. Er jedoch war dagegen gewesen, die langen Sommertage in einer Anwaltskanzlei als Gehilfe abzudienen, und hatte lieber im Freien arbeiten wollen. Um seiner Haut und seiner Figur was Gutes zu tun.
    Es war einer der seltenen Anlässe, dass sein Vater sich über seine Mutter hinwegsetzte und sich auf seine Seite schlug.
    Er hatte sich Sonnenbrände, Blasen und Schwielen und einen schmerzenden Rücken geholt und Splitter eingezogen. Und sich ins Bauen verliebt.
    Nicht so sehr ins Bauen, überlegte Declan jetzt. Ins Umbauen. Die Eroberung von etwas bereits Geformtem, das man verschönern, reparieren und restaurieren konnte.
    Nichts anderes hatte ihm je so viel Spaß gemacht oder ihm auch nur annähernd so große Befriedigung verschafft.
    Er hatte sofort sein Geschick bewiesen. Ein Naturtalent, hatte der irische Mops von einem Vorarbeiter gemeint. Gute Hände, gute Augen, guter Verstand. Nie hatte Declan dieses Sommerhoch vergessen. Das seitdem für ihn durch nichts übertroffen worden war.
    Vielleicht passiert es jetzt, hoffte er. Vielleicht gelänge es ihm. Es musste doch mehr für ihn drin sein, als sich von einem Tag zum anderen vorzuarbeiten und dabei das zu tun, was erwartet und akzeptiert wurde.
    Mit zunehmendem Vergnügen und wachsender Vorfreude machte er sich an die weitere Erforschung seines Hauses.
    An der Tür zum Ballsaal blieb er grinsend stehen. »Mann, das ist ja eine Wucht!«
    Seine Stimme kam als Echo zurück und hätte ihn fast erschlagen. Entzückt trat er ein. Die Bodendielen waren zerkratzt und fleckig. Ganze Segmente waren beschädigt, denn offenbar hatte jemand versucht, eine Trennwand zu errichten, um den Raum zu teilen, die dann aber wieder jemand anderer eingerissen hatte.
    Das konnte man reparieren. Irgendein Schwachkopf hatte Trockenputz und gelbe Farbe auf die ursprünglichen Stuckwände geklatscht. Auch das musste geändert werden.
    Wenigstens hatten sie die Decke in Ruhe gelassen. Die Stuckatur war hinreißend, ineinander verwobene Blüten- und Fruchtkränze. Das musste ebenfalls ausgebessert werden, dazu brauchte es einen Meister seines Fachs. Er würde einen finden.
    Ungeachtet des Regens stieß er die Galerietüren auf. Unter ihm breitete sich das verwilderte Durcheinander des Gartendschungels aus, durch den sich ein zugewachsener Pfad aus kaputten Ziegeln schlängelte. Wahrscheinlich waren da draußen Schätze angepflanzt. Er würde einen Landschaftsgärtner benötigen, hoffte aber, einen Teil davon selbst in Angriff nehmen zu können.
    Die meisten Nebengebäude waren nur noch Ruinen. Er entdeckte den Rest
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