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Mitten in der Nacht

Mitten in der Nacht

Titel: Mitten in der Nacht
Autoren: Nora Roberts
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Luft ein. Nur Muffigkeit und Staub.
    Projektionen, redete er sich ein. Ich stelle mir nur vor, wie dieses Zimmer einst ausgesehen haben mag. Wirklich gesehen oder gerochen hatte er gar nichts. Hatte sich einfach einfangen lassen vom Charme dieses Ortes und dessen Geist.
    Aber er vermochte nicht, die Schwelle zu übertreten.
    Er schloss die Tür wieder und ging auf direktem Weg zum Eckzimmer. Wie angeordnet, standen darin seine Möbel, deren Anblick ihn erleichterte und seine Balance wieder herstellte.
    Das gute, stabile Chippendale-Bett mit dem schlichten Kopf- und Fußteil. In einem Punkt war er sich mit seiner Mutter immer einig gewesen, in der Liebe zu Antiquitäten und dem Respekt vor der Handwerkskunst und der Geschichte.
    Dieses Bett hatte er sich gekauft, nachdem er und Jessica die Hochzeit abgeblasen hatten. Na gut, nachdem er sie abgeblasen hatte, gestand er sich mit dem üblichen Schuldgefühl ein. Er wollte einen Neuanfang und hatte sich deshalb auf die Suche gemacht und die Möbel für sein Schlafzimmer gekauft.
    Die für einen Junggesellen gedachte Kommode hatte er nicht nur ausgesucht, weil er offenbar einer blieb, sondern auch, weil ihm dieser Stil gefiel, die doppelreihige Fischgrätintarsie, die Geheimfächer, die kurzen gedrehten Füße. Den Schrank hatte er ausgewählt, um darin seinen Fernseher und die Stereoanlage zu verbergen, und die schnittigen Art-déco-Lampen, weil er Stilmischungen liebte.
    Als er diese Dinge jetzt hier in diesem weiträumigen Zimmer mit dem stattlichen Kamin in Dunkelgrün und den Balkontüren mit den Rundbögen, der leicht verblichenen Tapete, dem bedauernswert verschrammten Parkett sah, war er schlagartig wieder an Ort und Stelle.
    Beim Blick in das angrenzende Ankleidezimmer musste er lächeln. Jetzt brauchte er nur noch einen Kammerdiener mit weißer Krawatte und Frack. Das sich daran anschließende, wohl irgendwann in den bedauerlichen Siebzigern modernisierte Bad ließ ihn angesichts der avocadogrünen Ausstattung zusammenzucken, schürte zugleich aber die Sehnsucht nach einer heißen Dusche. Nachdem die Elektrizität funktionierte, würde wohl auch warmes Wasser kein Problem sein.
    Er würde noch einen raschen Rundgang durch den zweiten Stock machen, beschloss er, diesen dann im Erdgeschoss fortsetzen und sich danach auf Spritztour in die hässliche grüne Wanne begeben.
    Er stieg nach oben. Wieder hatte er die Melodie im Kopf. Immer im Kreis herum wie ein Walzer. Er ließ es geschehen. Bis Remy kam, musste er mit dieser Gesellschaft vorlieb nehmen.
    Dahin auch die Hoffnung, die mancher trug.
    Hier wurde die Treppe schmaler. Diese Etage war den Kindern und dem Personal vorbehalten, für die man das Einfache für gut genug erachtete.
    Den Bedienstetenflügel würde er sich für später aufheben, beschloss er und durchlief den Teil, der vermutlich Kinderzimmer, Vorratsräume und Speicher beherbergte.
    Er streckte die Hand nach einem Türknauf aus, dessen Messing Zeit und Vernachlässigung hatten stumpf werden lassen. Ein Luftzug so kalt, dass er einem bis in die Knochen drang, fegte durch den Korridor. Überrascht sah er seinen Atem aus seinem Mund strömen und sich zu einer dünnen Wolke verdichten.
    Als seine Hand den Türknauf umschloss, stieg ihm die Übelkeit so schnell und so scharf in die Kehle, dass sie ihm den Atem raubte. Kalter Schweiß perlte auf seine Brauen. Alles drehte sich.
    Einen Augenblick lang erfasste ihn eine so gewaltige, so große Angst, dass er am liebsten schreiend davongelaufen wäre. Stattdessen stolperte er rückwärts, wo er sich an der Wand abstützte, während Entsetzen und Furcht ihn wie mit Mörderhänden würgten.
    Geh da nicht rein. Geh nicht rein.
    Woher auch immer diese Stimme in seinem Kopf kommen mochte, er war bereit, auf sie zu hören. Er wusste von den Gerüchten, dass es in diesem Haus spukte. Doch er machte sich nichts daraus.
    Oder glaubte, sich nichts daraus zu machen.
    Die Vorstellung jedoch, diese Tür dem, was dahinter sein mochte, dem, was ihn auf der anderen Seite erwartete, zu öffnen, war mehr, als er sich allein zutraute. Auf leeren Magen. Nach einer zehnstündigen Autofahrt.
    »Ich vergeude hier doch nur meine Zeit«, sagte er laut, um sich mit seiner Stimme zu trösten. »Ich sollte lieber den Wagen ausladen. Also, ich gehe jetzt und lade den Wagen aus.«
    »Mit wem redest du, mein Lieber?«
    Declan sprang hoch wie ein Basketballer im Mittelfeld beim Tip-off und schaffte es kaum, sein Kreischen zu einem
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