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Mitten in der Nacht

Mitten in der Nacht

Titel: Mitten in der Nacht
Autoren: Nora Roberts
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akzeptablen männlichen Aufschrei abzumildern. »Verdammt noch mal, Remy. Hast du mich aber erschreckt.«
    »Du bist doch derjenige, der hier mit einer Tür redet. Ich habe dauernd gerufen, als ich hochkam. Wirst es wohl nicht gehört haben.«
    »Wird wohl so sein.«
    Declan lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und atmete tief durch. Dabei musterte er seinen Freund.
    Remy Payne hatte das gockelhaft gute Aussehen eines Trickbetrügers. Wie geschaffen für den Anwaltsberuf, fand Declan. Gewieft und klug, mit fröhlichen blauen Augen und einem breiten Mund, der sich, wie jetzt, wie Gummi zu einem entwaffnenden Lächeln ausdehnen konnte, das jedes Wort glaubhaft machte, wenngleich man den Bockmist dahinter förmlich riechen konnte.
    Er war eher ein dünner Typ, der nichts ansetzte, obwohl er einen Appetit hatte wie ein Bär. Im College hatte er seine dunkelbraune Mähne glatt bis zum Kragen getragen. Jetzt trug er fast einen Cäsarenschnitt.
    »Ich dachte, du sagtest in ein, zwei Stunden.«
    »Sind es auch. Fast zweieinhalb. Alles in Ordnung mit dir, Dec? Siehst ein bisschen blass aus.«
    »Kommt wohl von der langen Fahrt. Mein Gott, wie schön, dich zu sehen.«
    »Wurde auch langsam Zeit, dass du das sagst.« Lachend umarmte er Declan. »Mein lieber Mann. Du hast aber ganz schön trainiert. Dreh dich um und lass mich deinen Hintern betrachten.«
    »Doofkopp.« Sie klopften sich gegenseitig auf den Rücken. »Sag mir eins«, bat Declan und trat einen Schritt zurück. »Bin ich jetzt völlig durchgeknallt?«
    »Natürlich bist du das. Warst du immer schon. Komm, lass uns runtergehen und was trinken.«
    Mit einer Peperonipizza und einer Flasche Jim Beam machten sie es sich im ehemaligen Herrenzimmer bequem.
    Wie flüssige Seide rann der erste Schluck Bourbon hinunter und löste alle Verkrampfungen in Declans Magen. Die fette Pizza schmeckte lecker, und Declan kam zu dem Schluss, dass die merkwürdigen Erfahrungen, die er gemacht hatte, einzig und allein die Folge von Müdigkeit und Hunger gewesen waren.
    »Hast du vor, länger hier so zu hausen, oder gedenkst du dir doch ein oder zwei Stühle anzuschaffen?«
    »Ich brauch keine ein, zwei Stühle.« Declan nahm Remy die Flasche aus der Hand und spülte mit Bourbon nach. »Jedenfalls jetzt noch nicht. Ich wollte mich für eine Weile auf das Wesentliche beschränken. Mein Schlafzimmer habe ich. Vielleicht stelle ich einen Tisch in die Küche. Wenn ich jetzt anfange Möbel zu kaufen, stehen diese nur im Weg, wenn ich hier arbeite.«
    Remy sah sich im Zimmer um. »Bei dem Zustand, in dem das alles hier ist, wirst du einen Rollstuhl brauchen, ehe du fertig bist.«
    »Es ist überwiegend Kosmetik. Die letzten Besitzer haben sich meinen Informationen nach gleich richtig in die Arbeit gestürzt. Offenbar hatten sie die Idee, daraus ein schickes Hotel oder so was zu machen. Sie haben fast ein halbes Jahr dran gearbeitet, ehe sie die Flucht ergriffen. Wahrscheinlich ist ihnen das Geld ausgegangen.«
    Mit hoch gezogenen Augenbrauen strich Remy mit dem Finger über den Fußboden und untersuchte dann die Staubschicht, die er aufgenommen hatte. »Schade, dass du den Dreck nicht verhökern kannst. Du würdest stinkreich damit. Ha. Ach ja, ich hab's vergessen. Du bist ja schon stinkreich. Wie geht's deiner Familie?«
    »Wie immer.«
    »Und sie sagen, unser Junge Dec, il est fou.« Remy zog mit einem Finger einen Kreis um sein Ohr. »Er hat einen Sprung in der Schüssel.«
    »Na ja. Vielleicht haben sie Recht, aber wenigstens ist es meine Schüssel. Hätte ich auch nur noch eine eidesstattliche Erklärung entgegennehmen, einer weiteren Sitzung beiwohnen oder noch eine vorgerichtliche Anhörung durchführen müssen, hätte ich mich im Charles River ertränkt.«
    »Das liegt am Körperschaftsrecht, mein Lieber. Das hat dich erstickt.« Remy leckte sich die Sauce von den Fingern. »Du hättest es mit Strafrecht versuchen sollen wie ich. Das hält das Blut in Bewegung. Nur ein Wort von dir und wir hängen morgen bei mir ein Gemeinschaftsschild auf.«
    »Danke für diesen Vorschlag. Dir macht's also noch Spaß.«
    »Ja. Mir gefallen die schlüpfrigen, geheimen Ecken, der Pomp und das Zeremonielle, das schweißtreibende Ringen, die hochtrabenden Worte. Jedes blöde Detail.« Remy schüttelte den Kopf und schnippte die Flasche zurück. »Das war bei dir nie der Fall.«
    »Nein, das kann ich nicht behaupten.«
    »Und jetzt hast du all die Jahre, die du dich in Harvard abgerackert hast, über den
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