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Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition)

Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition)

Titel: Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition)
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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Beliebtsein-Wollens mit den Mitteln der Manipulation als bedauernswerten Ausläufer einer entfremdeten Beziehungswelt zu entlarven. Ihre Armseligkeit verrät sich nicht nur in der erstarrten Lächelgrimasse, sondern auch dort, wo eigentlich die Stärke dieses Ansatzes liegen sollte: in der (schlechten) Wirksamkeit! Am ehesten mag die Rechnung aufgehen bei jenen kurzlebigen und anonymen Betreuungskontakten, wie sie zum Beispiel zwischen Stewardess und Fluggast bestehen. Allerdings sollte in die Gesamtrechnung der seelische Preis einbezogen werden, den das Bedienungspersonal bei dieser Art von ständiger «Gefühlsarbeit» zu zahlen hat (Hochschild, 1983). Am wenigsten dürfte der süßliche Köder der Sympathiegewinnung dort ausrichten, wo es um Freundschaft oder Kooperation geht. Hier wird er als berechnende Masche empfunden und mit Unbehagen und Misstrauen beantwortet.
    Das heißt nun wiederum nicht, dass die Frage nach der Wirksamkeit in der kommunikationspsychologischen Arbeit nichts zu suchen hätte!
    Wo Kommunikation nur an der Zielgröße orientiert wäre, sich selbst möglichst unverfälscht zum Ausdruck zu bringen, hätte sie ihren Sinn verfehlt – tatsächlich will ich ja mein Gegenüber oder meine Zuhörerschaft erreichen, bei ihm/ihr etwas ausrichten und somit auf die Lebensgestaltung einwirken. Die Frage «Was kann ich tun, um gehört, verstanden und als überzeugend wahrgenommen zu werden?», ist die zweite Kardinalfrage der Kommunikationspsychologie. Sie ist aber in der konkreten Arbeit mit der ersten Kardinalfrage (Wer bin ich, wofür stehe ich, was ist mein Anliegen?) eng verbunden. Wenn sich zum Beispiel ein Ausbildungsleiter fragt: «Wie kann ich die Geschäftsleitung von der Notwendigkeit unserer Bildungsarbeit besser überzeugen?» – dann hat die kommunikationspsychologische Arbeit mit der (ersten Kardinal-)Frage zu beginnen: Wovon bist du denn selbst überzeugt? – getreu der Einsicht, dass man nur, wovon man selbst erglüht ist, bei anderen entzünden kann. Ein Mangel an eigener Überzeugung wäre durch keinerlei instrumentellen Zauber auszugleichen. Erst wenn die eigene «Erglühung» (und gibt es nicht auch abkühlende Selbstzweifel? Welche? Was sagt dieser Advocatus Diaboli in mir selbst? Will ich ihn vielleicht durch Überzeugung des anderen zum Verstummen bringen?) gut herausgearbeitet ist und ihre sprachliche Form gefunden hat, stellt sich die zweite Kardinalfrage: Wie kann ich die Geschäftsleitung erreichen und bei ihr etwas erreichen? Hier werden dann Überlegungen wichtig wie: In welchen Begriffen wird dort gedacht (zum Beispiel «Kosten-Nutzen-Analyse»)? Mit welchen Vorbehalten gegen mein Anliegen ist dort zu rechnen (diese Vorbehalte sind mit wohlwollender Gründlichkeit und der Frage «Was trifft daran zu?» zu studieren und einzubeziehen)? Wie kann ich, ohne meine Kompetenz in diesen Fragen zu verhehlen, es vermeiden, in die Tonart eines «Lehrmeisters der Nation» hineinzurutschen oder mit allzu emsigen Engelszungen Reaktanz (Abwehr) zu erzeugen? – usw.

    Das folgende Schaubild enthält beide kommunikationspsychologischen Aspekte auf einen Blick:

    Abb. 2:
    Die beiden Kardinalfragen der kommunikationspsychologischen Arbeit
    Zwar lässt es sich denken, dass in einer gegebenen praktischen Situation die eine oder andere Kardinalfrage bedeutsamer erscheint und daher im Vordergrund der Arbeit stehen wird; auch trifft es zu, dass für die Entwicklung einer bestimmten Person die eine oder andere Richtung Vorrang hat. Zum Beispiel sollte jemand, der nicht anders als ehrlich und unverblümt, von naiver Offenheit sein kann, in bestimmten Situationen fähig werden, auszuwählen und sich «diplomatischer» zu geben. Umgekehrt sollte der, dessen Verhalten überwiegend manipulativ und wirkungsbedacht angelegt ist, einen «Grundkurs Authentizität» besuchen. Dass sich die Entwicklungsrichtungen verschiedener Menschen überkreuzen (sollten), ist ja eine Grundthese dieses Buches. Leider habe ich gelegentlich den Eindruck, dass die psychologische Erwachsenenbildung dazu benutzt wird (und sich dazu benutzen lässt), genau jene Persönlichkeitsmerkmale noch weiter zu vervollkommnen, die ohnehin schon übermäßig ausgeprägt sind. Wird sich nicht unser Wirkungsbedachter das Buch «Manipulieren, aber richtig!» (Kirschner, 1982) kaufen und einen Rhetorikkurs besuchen, der im Ausschreibungstext «optimale Wirkung (zu) erzielen» versprach? Und wird nicht der Immer-Offen-und-Ehrliche eher eine
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