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Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition)

Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition)

Titel: Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition)
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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Therapiegruppe aufsuchen, um an seine Gefühle heranzukommen?
    Im Einzelfall mag es also angebracht erscheinen, die kommunikationspsychologische Arbeit auf die eine oder andere Kardinalfrage auszurichten und ihr ein besonderes Gewicht zuzugestehen. Prinzipiell lässt sich jedoch Kommunikationspsychologie nicht auf den einen oder anderen Aspekt verkürzen, ohne das Wesen von Kommunikation zu verfehlen.

2.
    Vier Stationen zwischenmenschlicher Kreisläufe
    Wir kommen nun von der Kommunikation zur Interaktion , dem Hin und Her von Äußerung und Antwort, von Aktion und Reaktion. Im Unterschied zu Theorien und Modellen, die das seelische Geschehen des Individuums in den Blick nehmen (Klassische Psychoanalyse, Individualpsychologie, Humanistische Psychologie), wirft das nun folgende Schema einen Blick auf das Zwischen -Menschliche, auf die Beziehungsdynamik. Dies ist die Blickrichtung der Systemischen Psychologie , so genannt, weil sie das Verhalten und Erleben des Menschen nicht aus seiner innerseelischen Dynamik begreift, sondern aus den Gegebenheiten des sozialen Systems , innerhalb dessen er seinen Platz hat. Im einfachsten Falle handelt es sich bei dem System um eine Dyade (Zweierbeziehung), vielfach um den «Patienten Familie», dann auch um Arbeitsgruppen und Organisationseinheiten. Geht es der Humanistischen Psychologie um die Persönlichkeit des Einzelnen und der Möglichkeit ihrer Weiterentwicklung, so geht es der Systemischen Psychologie um die Gesetzmäßigkeiten, mit denen die «Elemente» des Systems aufeinander reagieren und Einfluss nehmen. Die «Systemtherapie» geht davon aus, dass die Ursache von Kommunikationsschwierigkeiten nicht (in erster Linie) beim einzelnen Menschen zu suchen sind, sondern im (Fehl-)Funktionieren des ganzen Regelsystems. Keiner ist «schuldig», sondern alle spielen nach den geltenden Regeln, niemand ist «krank», «pathologisch», «unreif» oder «bösartig», sondern der Einzelne zeigt ein Symptom, das für die Erhaltung des Gesamtsystems auf verborgene Weise unentbehrlich ist; unter diesem Blickwinkel ist der Fehler nicht länger beim Einzelnen, sondern im Regelkreis des Miteinander-Agierens und Aufeinander-Reagierens zu suchen.
    Die Kommunikationspsychologie hat es in der Praxis sowohl mit einzelnen Menschen zu tun (also mit Menschen, die ihre dialogischen Fähigkeiten erweitern und ihre Persönlichkeit entwickeln wollen – auch wenn dies in Gruppen geschieht, handelt es sich bei solchen Seminaren und Trainingskursen um einen «individualistischen» Ansatz), als auch zunehmend mit Paaren, Familien, Arbeitsgruppen, Kollegien, Teams, Organisationseinheiten. Leute, die miteinander zu schaffen haben, machen einander auch zu schaffen – aus dieser simplen Tatsache ergibt sich gelegentlich die Notwendigkeit oder zumindest die «Wünschbarkeit», die Art des Miteinander-Schaffens und Zuschaffen-Machens für ein, zwei oder mehrere Tage unter Anleitung eines neutralen und kundigen Moderators oder Klärungshelfers (Thomann u. Schulz von Thun, 1988) zum Gegenstand der Auseinandersetzung zu machen.
    Für eine solche Systemtherapie ist das folgende Kreislaufschema das kleine Einmaleins, denn es umfasst die elementare Situation der Beziehung zweier Menschen.
    2.1
    Beispiel Ehe und Partnerschaft
    Ein einfaches Beispiel. «Er» wird von nervöser Unruhe ergriffen, wenn «sie» so einsilbig ist in Bezug auf das, was sie tagsüber tut und erlebt. Wenn er nachfragt und mit der Zeit auch «bohrt» (schließlich auch hinter ihr herspioniert) und wenn sie sich daraufhin ausgefragt, inquisitorisch behandelt und verfolgt fühlt, mit der Konsequenz, dass sie sich durch zunehmende Verschlossenheit, bald auch durch Heimlichkeiten vor seinen Nachstellungen schützt – dann geben gewöhnlich beide eine kausale Interpretation dieses Geschehens ab, wobei sich jeder als bloß reagierendes Opfer eines bösen Täters fühlt:
    « Weil du so eine Geheimniskrämerin bist, werde ich natürlich unruhig und versuche dementsprechend in Erfahrung zu bringen, was hinter den Kulissen gespielt wird!» Nach ihrem Gefühl stellt diese Sichtweise die Tatsache auf den Kopf; vielmehr gilt doch: « Weil du mich andauernd verhörst, mir sogar nachspionierst, fühle ich mich natürlicherweise überwacht und eingeschränkt – und dann wehre ich mich und muss darauf bestehen, dass dich das gar nichts angeht!»
    Solche Teufelskreise tendieren zur Eskalation: Das Ehepaar kam zur Beratung, nachdem er heimlich eine Abhöranlage
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