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Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition)

Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition)

Titel: Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition)
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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nicht der faule A einen drauf, sondern dann hat die ganze Abteilung das Nachsehen, und ich, der ich mich besonders zuständig fühle und daher auch von außen als Zuständiger angesehen bin, werde zum Prügelknaben!» So wird er nervös, aber auch ärgerlich auf A. Da nun Herr B ein friedliebender Mensch ist und die kollegiale Beziehung zu A («Wir kommen im Großen und Ganzen recht gut miteinander aus!») nicht gefährden will, tut er genau das, was er in solchen Fällen manchmal schon getan hat: Er erledigt es selbst. Herr A wiederum, der dies mitbekommt, fühlt sich in dem bestätigt, was er immer schon ein wenig gedacht und gefühlt hat: «Herr B steckt wirklich überall seine Nase hinein, spielt sich auf wie ein Abteilungschef und geht sogar so weit, in mein Arbeitsterritorium einzudringen!» Er fühlt sich übergangen, ist insgeheim ärgerlich auf den Kollegen B. Aber auch er ist ein friedliebender Mensch und möchte die gute kollegiale Beziehung nicht gefährden; außerdem hat er von sich das Bild, über derartige Kleinigkeiten erhaben zu sein.
    Was dennoch nachbleibt, ist ein Gefühl von eigener Überflüssigkeit und einem trotzig-resignierten «Dann mach deinen Kram gleich ganz allein!». Das Resultat: Er «tut nichts», lässt manches unerledigt liegen und schiebt es auf die lange Bank:

    Da es sich um zwei friedliche Menschen handelt, ist es in diesem Falle günstig, wenn der unterdrückte Groll sich erst einmal ausdrückt, das heißt, die «senkrechte» Kommunikation in Form von Vorwürfen («Sie sind faul und tun nichts!» – «Sie mischen sich in alles ein!») hat zunächst einmal Vorrang. Erst dann ist seelisch freie Bahn für die Klärung der inneren Reaktionen und der Bewusstwerdung des gemeinsam bewerkstelligten Teufelskreises.

    Ein ganz ähnlicher Teufelskreis entsteht häufig auch in Wohngemeinschaften, Jugendgruppen, in der Vereinsarbeit und anderen Gemeinschaftsformen: Jemand ist besonders identifiziert mit der gemeinsamen Sache, macht sich kundig und hält bald viele Fäden in der Hand. Die Kollegen freuen sich über diese verlässliche Kompentenz und bestätigen seine Führungsrolle. Allmählich wird es ihm jedoch zu viel, und er beklagt die passive Konsumentenhaltung seiner Mitarbeiter. Diese geloben Besserung, übernehmen die anfallenden Aufgaben aber etwas halbherzig und nachlässig – auch macht sich die mangelnde Übung bemerkbar: Ganz so gut wie dem «Chef» gelingt es ihnen nicht, sodass dieser doch wieder alles korrigieren muss – fast geht es schneller, wenn er es gleich selbst macht. Irgendwann platzt ihm der Kragen: «Ich bin doch nicht euer Kindermädchen!», ruft er – und ist es doch längst geworden. Und die anderen? Sie beklagen mit der Zeit den «überzogenen Machtanspruch» ihres Chef-Kollegen. So entsteht die paradoxe Situation, dass die «Untergebenen» sich zwar unterdrückt fühlen, aber doch auch genüsslich bedienen lassen. Und der «Chef» hat zwar das Sagen, ist aber längst zum Sklaven geworden. Diese Beziehungsdynamik enthält viel Sprengstoff – die Beteiligten werden einander bald an die Gurgel gehen, wenn sie die teufelskreisartige Dynamik nicht durchschauen, und wenn nicht jeder entdeckt, was er davon hat , worunter er dann auch leidet, und wie er sich deshalb nach Kräften an der Aufrechterhaltung des Systems beteiligt.
    2.4
    Offene und verdeckte Kreisläufe
    Die Frage « Was haben die Beteiligten davon, wenn sich ein Teufelskreis zwischen ihnen dreht und dreht ?» führt oftmals auf eine gute Spur. Zwar scheint es zunächst, als würden beide in heilloser leiderzeugender Verstrickung sich gegenseitig das Leben schwermachen. Dies trifft zwar zu, ist aber meist nicht die ganze Wahrheit. Unter der Oberfläche des psychischen Geschehens dreht sich vielleicht noch ein anderer Kreislauf, der weniger bewusste Bedürfnisse befriedigt . Infolgedessen wird es schwer sein, einen Teufelskreis zu stoppen, solange diese auf Systemerhaltung drängende unbewusste Lobby nicht erkannt und bearbeitet ist. In der psychoanalytischen Literatur spricht man von einer Kollusion (Willi, 1975) oder von interpersonaler Abwehr (Mentzos, 1986), wenn unbewusste Kräfte zweier (oder mehrerer) Beziehungspartner sich zu einer gemeinsamen Dynamik verbinden, indem sie gleichsam unter der Oberfläche am gleichen Strang ziehen.
    Ein Beispiel aus der familientherapeutischen Erziehungsberatung: Der elfjährige Hans, der nach Trennung seiner Eltern bei seinen Großeltern lebt, frisst immer
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