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Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Titel: Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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das Durchschauen der daraus resultierenden «inneren Gruppendynamik», verbunden mit der Fähigkeit zu einer inneren Teambildung, eine große Quelle von Kraft und Klarheit darstellt, dann lohnt es, sich mit diesem Stück Menschenkunde näher zu befassen. Vor allem Dichter und Psychotherapeuten sind auf diesem Weg weit vorangekommen. – Ich lade Sie nun ein, diese Erkenntnisse nachzuvollziehen, sie zu systematisieren, weiterzuentwickeln und mit der Lehre von der zwischenmenschlichen Kommunikation so zu verbinden, dass sie für den beruflichen und privaten Alltag nutzbar werden können!
    Musterbeispiel: die Studentin
    Beginnen wir die Einführung mit einem kleinen Musterbeispiel.
    «Könnte ich mal deine Mitschriften aus dem Seminar für mich kopieren? Und vielleicht hast du auch sonst noch gute Prüfungsunterlagen?», fragt ein Student eine Studentin. Er selbst war häufig nicht anwesend und weiß, dass sie verlässlich und fleißig studiert und umfangreiche Aufzeichnungen zu machen pflegt.
    Vielleicht gehört die Angesprochene zu den Menschen, die, «wie aus der Pistole geschossen», positiv reagieren: «Na klar, kannst du haben!» – und es hinterher mit einer inneren Gegenstimme zu tun kriegen, die schimpft: «Warum kann dieser Schmarotzer sich nicht mal selbst auf den Hosenboden setzen!? Mir hat er noch nie geholfen! Dieser Schluffi macht sich ein feines Leben und überlässt mir die Fleißarbeit. Und ich Blödfrau sag auch noch immer freundlich ‹Ja› dazu!»
    Vielleicht reagiert sie auch spontan ablehnend: «Nein, also das sind persönliche Unterlagen, die geb ich ungern aus der Hand. Das bringt auch nicht viel, wenn man das nicht selbst erarbeitet hat» – und bekommt vielleicht am Abend einen moralischen Katzenjammer: «War das nicht ziemlich unfreundlich und unsolidarisch von mir? Ich komme mir vor wie eine Streberin, die den anderen nicht abschreiben lässt, um selbst bessere Noten zu bekommen.»
    In beiden Fällen wohnen «zwei Seelen, ach!, in ihrer Brust» (s. Abb. 4), und in beiden Fällen werden sie nacheinander wirksam.

    Abb. 4:
    Zwei Seelen in der Brust einer Studentin
    Sie werden in unterschiedlichem Tempo wach, und ihr «Auftritt» ist zeitversetzt. Genauso gut wäre es aber auch möglich, dass beide gleichzeitig wirksam werden: Vielleicht zögert die Studentin mit der Antwort, legt ihre Stirn in Falten, blickt zu Boden und «druckst herum» mit Worten wie «njaa», «hm», «eventuell schon», «ich muss mal sehen, ob ich das alles noch habe», «das meiste war nur so hingeschmiert». Oder sie sagt das eine, und ihre Mimik und ihr Tonfall bezeugen das andere: Solche sogenannten «diskordanten» oder «inkongruenten» Äußerungen enthalten eine verwirrende Doppelbotschaft. Die Irritation löst sich aber auf, wenn wir uns klarmachen, dass «zwei Seelen» an der Reaktion beteiligt sind und jede von ihnen danach strebt, sich zum Ausdruck und zur Geltung zu bringen. Wenn die Studentin «Ja, o.k.!» sagt, aber in einem Tonfall, der jede Herzlichkeit vermissen lässt, und mit einem Gesichtsausdruck, der von abweisender Verdüsterung umwölkt ist, dann hat der eine Teil in ihr in der Sprechblase seine Verwirklichung gefunden, der andere Teil im Körper (s. Abb. 5).

    Abb. 5:
    Inkongruente Doppelbotschaften als Ausdruck innerer Gegenspieler
    Eine solche Kommunikation ist nicht der Weisheit letzter Schluss, hat aber weder etwas mit Lug und Trug (Moral) noch mit Persönlichkeitsstörung (Pathologie) zu tun. Eher würde ich von einer noch nicht integrierten Reaktion sprechen, in der sich – sozusagen «doppelt ehrlich» – ein innerer Widerstreit kundtut.
    Anstatt von «Seelen» werde ich im Folgenden von «Mitgliedern des Inneren Teams» sprechen, um die Träger dieser Stimmen zu bezeichnen. Denn alles wird darauf ankommen, ob und wie es gelingt, diese zunächst widerstrebenden Kräfte in eine Kooperation zu bringen, deren «Produkt» kraftvoller und angemessener sein wird, als wenn nur eine Stimme allein das Sagen hätte.
    Das ist einer der Grundgedanken dieses Buches, und wir werden ihn weiter verfolgen. Machen wir uns hier zunächst aber auch mit der Arbeitstechnik vertraut, die dem Modell des Inneren Teams zugeordnet ist.
    Die Arbeitstechnik: Botschaft, Name, Bild
    Jedes Teammitglied hat eine Botschaft . Der Text dieser Botschaft ist freilich nicht immer von Anfang an gegeben, muss erst durch eine innere Erkundung «spruchreif» gemacht werden. Vielleicht spürt die Studentin zunächst
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