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Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Titel: Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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ausarbeiten. Die Definition enthält ein Arbeits-, ein Reflexionsprogramm, indem sie eine zweifache Spur zu verfolgen aufgibt. Die eine Spur ist nach außen gerichtet, sucht den situativen Kontext auf: Welches sind seine Bestandteile, wie hängen sie miteinander zusammen? Welche Gebote und Forderungen sind darin enthalten, sodass Kommunikation «situationsgerecht» ausfallen kann?
    Die andere Spur ist nach innen gerichtet, sucht den inneren Kontext des kommunizierenden Subjekts auf: Wer meldet sich in ihm und möchte sich zur Geltung bringen? Mit welcher Äußerung wäre es «in Übereinstimmung mit sich selbst»? Welche inneren Gebote und Forderungen werden laut und wollen, damit die Kommunikation «authentisch» sei, berücksichtigt sein?
    Authentisch und situationsgerecht , so die Definition von Stimmigkeit in einer ersten griffigen Formulierung: Im Ergänzungs- und Spanungsverhältnis dieser beiden Pole bewegt sich unser übergeordnetes Kommunikationsideal.

    Wenn es für den Philosophen Immanuel Kant zwei Dinge waren, die ihn stets aufs Neue bewegt und erschüttert haben, nämlich «der gestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir», dann ist das für den Kommunikationspsychologen etwas prosaischer, aber kaum weniger aufregend: das Geflecht systemischer Zusammenhänge um mich herum und das seelische Miteinander und Gegeneinander in mir drin. Als kommunizierende und handelnde Subjekte suchen wir diesen beiden Formationen gerecht zu werden. Was immer ich sage und tue, ich möchte «in Übereinstimmung mit mir selbst» sein, möchte «dazu stehen können», sonst verfehle ich mich selbst. Diese Maxime enthält mehr als eine bloße Übereinstimmung von innerem Zumutesein und äußerem Gebaren – dies wäre die augenblicksbezogene Variante der Authentizität (nicht freundlich lächeln, wenn ein Ärger in mir aufkommt). Sie enthält, viel weitreichender, das Gebot, in Übereinstimmung zu sein mit dem, was mich ausmacht, was mir wesensgemäß ist, mit den Anliegen meiner Existenz. Ich weiß dafür vorerst kein besseres Wort als «identitätsgemäß»: Kommunikation soll nicht bloß authentisch, sondern identitätsgemäß sein – besser gesagt: werden , denn dies ist eine ständige Such- und Entwicklungsbewegung.
    Und zweitens: Was immer ich sage und tue, ich möchte in Übereinstimmung mit dem Gehalt der Situation sein, an der ich teilhabe. Wenn ich den Gehalt der Situation und meine Rolle darin verfehle, bin ich vielleicht durchaus (augenblicksbezogen) authentisch, aber dennoch «daneben», störe ich die geordnete und sinnvolle Form des Aufeinander-Bezogen-Seins, die eine Situation stiftet und die sie den Beteiligten abverlangt. Ebenso wie die Authentizität des konkreten Augenblicks einen weitreichenderen existenziellen Hintergrund hat, so ist auch die konkrete Situation in einen größeren Zusammenhang eingebettet, welchem sie zumeist ihre Entstehung und ihren Sinn verdankt. Die erwähnte Verkaufstrainerin, die von ihren männlichen Teilnehmern die abfälligen Bemerkungen «erntet», hat eine konkrete Situation zu bewältigen. Die Situation selbst aber hat hier wie auch sonst immer einen Systemhintergrund, den es erst noch zu erkunden gilt; zum Beispiel: Wie ist die Geschichte dieser Veranstaltung? Wie kam es, dass ausgerechnet sie ausgerechnet dieses Thema mit ausgerechnet diesen Teilnehmern bearbeitet? Wer ist Auftraggeber, wer zahlt dafür? Wieso sitzen die Teilnehmer überhaupt dort? Und so weiter. All diese Fragen führen zur Erkundung eines Gesamtsystems, das es bei der Frage nach dem «richtigen» Verhalten zu bedenken gilt (vgl. S. 333ff.).
    Deine Kommunikation, so würden wir der Trainerin nahelegen, sei nicht nur situationsgerecht, sondern auch in einem umfassenderen Sinn «systemgerecht», jedenfalls solange du zum Gelingen des Ganzen, vom dem du ein Teil bist, beitragen willst.

    Halten wir die bisherigen Überlegungen in einem Schaubild fest (Abb. 1).

    Abb. 1:
    Das Ideal einer guten (= stimmigen) Kommunikation in der doppelten Übereinstimmung mit sich selbst und dem (systemisch geprägten) Gehalt der Situation
    Bei diesem Konzept brauchen wir eine doppelte Kenntnis: Kenntnis vom «inneren Menschen» und Kenntnis von den Wesensmerkmalen einer systemisch eingebundenen Situation und der ihr innewohnenden Logik, um dann beides sinnstiftend aufeinander zu beziehen. Zwei Denkschulen sind dabei miteinander zu verknüpfen und auszusöhnen:
    das humanistische Denken (mit dem Ideal der
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