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Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Titel: Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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autonomen und sich verwirklichenden Persönlichkeit) und
    das systemische Denken (mit der Erkenntnis, dass der Mensch nur als Teil eines Ganzen seine Identität gewinnt).
    Die damit verbundene «duale» Ethik setzt auf eine doppelte Pflicht: zum Gelingen des Ganzen beizutragen, von dem der Mensch ein Teil ist – und zum Gelingen des Ganzen beizutragen, das er selbst ist! In dem Maß, wie diese doppelte Dienstpflicht nicht (nur) in mühsamen Kompromissen eingelöst wird, sondern so, dass das eine im anderen mitverwirklicht ist, dass «Selbstverwirklichung» und «Hingabe» nicht als Gegensatz, sondern als einander bedingende und befördernde Prinzipien gelebt werden – in dem Maß dürfen wir von einer gelungenen Existenz sprechen. In einer unübersichtlichen Welt bedeutet dies kein ganz leichtes Lebensprogramm, aber wenn wir nach einem Kommunikationsideal Ausschau halten, können wir dieses nicht ohne einen ethischen Kompass entwerfen.

    Dieses Buch ist so aufgebaut, dass es zunächst die linke, dann die rechte Seite der Abb. 1 ausarbeitet. Allerdings ergibt sich links eine kleine Komplikation. Der erste Teil des Stimmigkeitsgebots, das «In-Übereinstimmung-Sein mit sich selbst», erweist sich als ein weites Feld. Denn der Mensch ist mit sich selbst nicht ein Herz und eine Seele!
    Zu jeder praktischen Fragestellung, vom kleinen Kommunikationsproblem (Wie sag ich’s meinem Mitstudenten?) bis zu den existenziellen Grundentscheidungen (Was zählt wirklich in meinem Leben?) gibt es vielfältige und widersprüchliche innere Wortmeldungen, und die Träger dieser inneren Stimmen sind zum Teil sehr tatendurstige Gesellen. Und zwar tatendurstig nach außen (als Wortführer und Handlungsträger) wie nach innen (als Stimmungsmacher und als Teilnehmer am inneren Selbstgespräch). So erweist sich das «Ich», das nach Übereinstimmung mit sich selbst sucht, als ein multiples Gebilde, erweist sich die innere Pluralität als menschliches Wesensmerkmal.
    Das ist auch gut so, aber bevor wir die Tugend einer «inneren Teambildung» nutzen und genießen können, haben wir erst die Not eines «zerstrittenen Haufens» zu bewältigen. Die Erkenntnis, dass die menschliche Seele eine faszinierende innere Gruppendynamik aufweist, und die Entdeckung, dass die dort waltenden Verhältnisse eine erstaunliche Analogie zu denen in realen Gruppen und Teams aufweisen, haben mich dazu gebracht, die Metapher vom «Inneren Team» zu formulieren und zur Grundlage meines Menschenbilds und meiner kommunikationspsychologischen Beratung zu machen. Eine wichtige Frage wird nun sein: Wie kann der Mensch, der mit sich selbst nie ein Herz und eine Seele ist, wie kann dieser plurale Mensch mit sich selbst so klarkommen, dass er nach außen hin deutlich und kraftvoll kommunizieren und nach innen im harmonischen Einklang mit sich selbst sein kann? Die Erforschung dieses Komplexes, der den linken Teil der Abb. 1 betrifft, hat bei mir selbst zu einem großen Erkenntnisgewinn geführt, sodass das Innere Team in diesem Buch einen breiten Raum einnimmt.
    Die große Bedeutung des Inneren Teams für die Kommunikationspsychologie ergibt sich auch daraus: Zur Aufschlüsselung einer Äußerung haben wir ein gutes und praktisches Modell zur Verfügung, das «Nachrichten-Quadrat»; für die Innerung besaßen wir etwas Entsprechendes nicht, obwohl die Selbstklärung seit jeher einer der Schlüsselbegriffe unserer Klärungshilfe gewesen ist (s. besonders Thomann und Schulz von Thun 1988, S. 121ff.). Die Modellvorstellung vom Inneren Team schließt diese Lücke (s. Abb. 2) und bietet bei kundiger Anwendung aussichtsreiche Möglichkeiten der Hilfe zur Selbstklärung – auch im (von Rollenkonflikten geprägten) professionellen Kontext; und auch für psychologisch «Unvorbelastete», die mit diesem Modell in der Regel sehr schnell etwas anfangen können.

    Abb. 2:
    Nachrichten-Quadrat und Inneres Team als Modellvorstellungen für «Äußerung» und «Innerung»

    Die nachfolgenden Kapitel enthalten das, was sich für mich als die sechs Lehren vom Inneren Team herausgestellt hat:

     
Die Lehre von der inneren Pluralität des Menschen: Dass es viele gibt, die in uns mit Sitz und Stimme vertreten sind, und dass sie miteinander, gegeneinander und durcheinander arbeiten – wie normale Teams auch (Kapitel 1, Abb. 3 a). Wer aber hält den Laden zusammen und sichert, angesichts dieses inneren «Wir», das einheitsstiftende, authentische «Ich»? Dies führt zum nächsten
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