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Mit Liebe gestrickt

Mit Liebe gestrickt

Titel: Mit Liebe gestrickt
Autoren: Gil McNeil
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Februar
    Die dünne blaue Linie

    Bisher läuft der Montagmorgen nicht besonders gut, und es ist erst halb neun.
    »Du bist ein großer fetter Brummpotamus.«
    »Archie, zieh deine Socken an und sei nicht so frech.«
    »Na ja, ist er aber. Und du auch. Und ich will keinen Käse auf mein Pausenbrot. Ich hasse Käse. Ehrlich.«
    »Schuhe und Socken, Archie, und beeil dich ein bisschen, Jack, sonst kommen wir zu spät zur Schule.«
    Jack seufzt.
    »Alicia hat manchmal Krabbensandwiches. Und Nudelsalat.«
    Archie nickt.
    »Und Tyrone hat Käsedips, was noch viel besser ist.«
    »Ich dachte, du hasst Käse.«
    »Schon, aber keine Dips.«
    »Gleich zähle ich bis zehn, und wer zuletzt im Auto ist, ist die faule Tomate.«
    Beide tun so, als würden sie das ignorieren, aber ich weiß, dass sie alles tun werden, um ja nicht die Tomate zu sein, verfault oder sonstwie. Vielleicht wären spezielle Sticker eine gute Lösung, von denen ich gleich eine ganze Serie anfertigen könnte: Ich esse ganz ganz langsam, morgens bin ich eine schreckliche Nervensäge und so weiter. Wäre eine tolle Alternative zu den
»Ich bin ein guter Helfer«-Stickern, die sie in der Schule bekommen. Ich könnte wahrscheinlich ein Vermögen damit verdienen.
    »Schuhe, Archie, nun mach schon. Vier. Vier und ein halb.«
    Jack rast zur Haustür, dicht gefolgt von Archie, der einen Schuh in der Hand hält und auf einem Bein hüpft. Na spitze.

    Auf halbem Weg zur Schule fällt mir ein, dass ich die Strickprojektnotizen für Annabel Morgan vergessen habe. Mist.
    Archie summt unmelodisch vor sich hin und freut sich offenbar immer noch, dass ich, da ich als Letzte am Auto war, offiziell die faule Tomate bin.
    »Was gibt es zum Abendbrot, Mum? Wir könnten Spaghetti mit Tomatensoße essen.«
    Beide kichern.
    »Sehr witzig, Archie.«
    »Oder kriegen wir Würstchen?«
    »Vielleicht, wenn ich Zeit habe, zum Schlachter zu gehen.«
    »Dann könnten wir Würstchen im Schlafrock kriegen.«
    »Vielleicht.«
    »Versprich es.«
    »Archie, ich sagte vielleicht. Lass uns einfach abwarten, okay?«
    »Nein, versprich es einfach.«
    Verdammt, wenn ich jetzt kneife und es nicht fest verspreche, wird er fuchsteufelswild, und mir ist absolut nicht schon wieder nach einem tränenreichen Marsch über den Schulhof, besonders nicht nach der oskarverdächtigen Vorstellung von letzter Woche, als sie hörten, dass es Hühnersuppe zum Abendbrot gibt.
    »In Ordnung, ich verspreche es.«
    Von den Rücksitzen ertönt jetzt Applaus.

    Im Schulhof warten bereits Connie, Marco und Nelly auf uns, und Annabel Morgan, die ihr Elternbeiratsklemmbrett umklammert. Himmel Hilf.
    »Guten Morgen, Jack und Archie. Sind wir alle bereit für einen feinen Schultag?«
    Archie nickt, während Jack nervös aussieht. Annabel hat auf Kindersprache umgeschaltet, was ein heiteres Lächeln und eine sehr laute Stimme einschließt.
    Archie fängt sich ziemlich schnell.
    »Ich habe gestern einen Goldsticker für mein Bild gekriegt. Es waren Blätter, und ein Tiger. Kein sehr großer, weil Jason Lenning das Orange gleich wiederhaben wollte. Aber Mrs. Berry sagte, es war ein sehr guter Tiger. Wie der Tiger, der zum Abendbrot kommt, aber ohne Abendbrot. Wir kriegen Würstchen im Schlafrock zum Abendbrot.«
    Annabel sieht jetzt nicht mehr so glücklich aus. Ihr Sohn, der schreckliche Harry, der seine Klassenkameraden gern heimlich kneift und hänselt, ist in Archies Klasse, und jegliche Erwähnung von Goldstickern provoziert in der Regel pädagogisches Konkurrenzverhalten.
    »Goldsticker sind wirklich fein, nicht wahr? Harry freut sich auch immer darüber. Wir befestigen sie an unserer Pinnwand zu Hause. Wir haben inzwischen so viele, dass wir bald eine neue Pinnwand brauchen.«
    Sie lacht trillernd und vergisst auch nicht, sich zu vergewissern, dass wir alle mitbekommen haben, was für eine rekordverdächtige Sammlung von Goldstickern sie zu Hause haben.
    »Oh, da ist ja Mrs. Berry. Zeit, sich aufzustellen, Schätzchen.«
    Sie tippt mit dem Stift auf ihr Klemmbrett, als wir ihnen dabei zusehen, wie sie auf ihre jeweiligen Reihen losmarschieren: Jack und Marco im Laufschritt, während Archie und Nelly eher
bummeln. Der schreckliche Harry ist bereits an der Spitze der Reihe, und es sieht so aus, als schubse er einen kleineren Jungen weg, um der Erste zu sein, was Annabel aber nicht zu bemerken scheint.
    »Also dann, mal sehen … es gibt ja so viel zu organisieren. Aber warum sollte man schließlich Vorsitzende sein, wenn
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