Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago
Autoren: Heide Fürböck
Vom Netzwerk:
Glaubwürdigkeit wohl nicht mehr zum Besten bestellt. Wer weiß, vielleicht gehe ich als jahrelang verkannter Witzbold in die Firmenannalen ein.
    Die wenigsten scheinen uns ernst oder gar beim Wort zu nehmen. Auch mein Zahnarzt meinte vor einer Woche noch amüsiert, meine Zahnfüllungen würden diesem ständigen Gerüttel wahrscheinlich nicht allzu lange standhalten. Glücklicherweise besitze ich mehr Vertrauen zu meines Zahnarztes Kunst als zu mir selbst und unserem Vorhaben. Ob es auch ohne überzogene Erwartungen das werden wird, was Wolfgang und ich uns erhoffen?
     
    30. 02. 1997
    In Eiseskälte montiert Wolfgang, erbarmungslos gegen sich und seine rotgefrorenen Finger, die letzten Teile der Hydraulik ab; und nach langen Beratschlagungen kommen wir überein, daß auch der Überrollbügel weichen muß, wollen wir nicht mit einer Teppichstange unterwegs sein. Allmählich gewinnt Jockl starke Ähnlichkeit mit einer Nacktschnecke, auch das Tempo würde trefflich dazu passen - maximal 20 km/h.
     
    09. 02. 1997
    Faschingssonntag! Der Arzt in der Notaufnahme des Krankenhauses belächelt mich süffisant, als ich ihm den Unfallhergang beschreibe. Keine Frage, er hält mich für eine Närrin, ob nun wegen des Faschings oder auch nicht, das werde ich nie ergründen können. - Tatsächlich war mir aber alles andere als zum Lachen zumute, als Jockls neuer Vorderreifen meine Ferse aufs »Niederdrücklichste« attackierte, während Wolfgang und ich, um Jockl ein paar Meter rückwärts zu bewegen, an seinen beiden Hinterrädern schoben. - Was klingt daran so unverständlich, das hat sich tatsächlich so abgespielt! - Wie dem auch sei, auf jeden Fall ließ sich in diesem unseligen Augenblick die Achillessehne nur sehr widerwillig gegen den Vorfuß pressen, und in meiner momentanen Panik vermochte ich die eingekeilte Ferse nur mit einem beherzten Ruck unter dem Reifen hervorzureißen. Mit einem deutlich vernommenen Knacken in den Knochen suchte ich das zwei Meter entfernte Weite, um dort in meinem wortlosen Schmerz wie ein Rumpelstilzchen herumzuhüpfen. Abwechselnd schwarz vor den Augen und übel im Gedärm verfrachtete mich der geplagte Wolfgang ins Krankenhaus. - Zwei Röntgenaufnahmen bringen die ersehnte Beruhigung - nur eine Prellung, dafür eine ordentliche. Trotzdem bin ich gehunfähig und von Stunde zu Stunde gleicht der Fuß mehr und mehr einem aufgequollenen Faschingskrapfen, jedoch nicht goldbraun, mit leckerer Marillenmarmelade gefüllt und Puderzucker bestäubt, sondern grünblau, unter dicken Schichten von Kühlsalbe und endloser Bandage drumherum.
    Der Rest des Tages sieht mich im Bett und Wolfgang im Trümmerfeld seiner Traktorwerkstatt, wo er Jockl nochmals ordentlich zu Leibe rückt und die Riesenschalen seiner Kotflügel abmontiert, schließlich auch die Motorhaube abnimmt - alles zum Zweck der Reinigung, um den Jahrzehntelurch aus allen Winkeln und Ritzen herauszukratzen, Roststellen mit Rostumwandler zu behandeln, kaputte Schrauben gegen neue auszutauschen, neue Dichtungen einzusetzen, zu polieren und zu konservieren, kurz: um den Jockl nicht nur fahrtüchtig, sondern auch optisch halbwegs präsent zu machen. Funkeln wie frisch vom Fließband muß er nicht, schließlich handelt es sich bei ihm doch schon um einen gesetzteren Herrn. Aber ein 8ediegener Charme wird ihm schon gut anstehen.
     
    15. 02. 1997
    Es geht sich noch recht behindert, und die Farben der Schwellung nehmen inzwischen impressionistische Leuchtkraft an. Währenddessen ergreift Jockl mehr und mehr von uns und unserem Leben Besitz. Die Garage, schon vor Jockls Einzug kein Ort der Übersichtlichkeit, leidet unter Überfüllung von Werkzeug und Traktorteilen. In der Einfahrt lehnt ein Kotflügel, im Heizraum lagern Mähbalken und Hydraulik, im Stiegenhaus trocknet gerade der zweite Kotflügel, die Küche stinkt nach Rostumwandler, Grundierung und Lacken, und in der Badewanne plätschert nicht Wolfgang, sondern zwängt sich Jockls Motorhaube. Ich hab’s geahnt, daß Wolfgang sein Privatleben und alles andere dem Traktor opfern würde. Ich finde, damit geht er nun wirklich zu weit; zumindest das Badezimmer hätte er vor Jockls Okkupation verteidigen sollen. Da ragt nun die blaugraue Motorhaube wie ein ungeheurer Mastkarpfen mit Riesenaugen aus Scheinwerfern aus der Wanne und läßt sich das stumpfe Blech schrubben. Phaa, aber was für ein skurriler Anblick, als ich völlig unvorbereitet in dieses intime Szenario platze. Ich könnte mich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher