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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago
Autoren: Heide Fürböck
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totlachen und muß nur noch mehr gackern, als ich feststelle, daß sich Wolfgang dieses surrealistischen Happenings in seinem Eifer gar nicht bewusst ist. Wahrlich, er betreibt seine Kunst ernsthafter als Dalí und Konsorten.
     
    18. 02. 1997
    Wolfgang werkt im Keller, ich in der Wohnung am Boden kniend zwischen gut zwei Dutzend Reise-, Kultur- und Landschaftsführern, mehreren Quadratmetern Land- und Straßenkarten und seitenweise Notizen, um unsere Reiseroute zusammenzustellen - auch das eine wochenlange und mitunter akribische Arbeit. Das mag zuweilen auch sehr interessant sein; ich weiß nur, daß mir das Durchackern dieser ganzen Vorbereitungslektüre schon einmal mehr Spaß gemacht hat. Den meisten Genuss, so scheint mir, trägt zur Zeit Wolfgangs Kater Paulchen davon. Nie zuvor sah ich ihn mit solch ausgesprochener Vorliebe immer ein und denselben Schlafplatz aufsuchen: Wolfgangs stinkende Arbeitsjacke aus dem Keller. Sie muffelt ungeheuerlich nach Schmiere, Metall, Öl und Staub. Der Kater auch, wenn er sich nach seinen mäusigen Träumen seine Streicheleinheiten bei uns holt und dabei einen metallischen Duft von sich gibt, als hätte er mehrere Tage unter Schrauben und Beilagscheiben gelegen.
     
    23. 02. 1997
    Jockl ist im Begriff, seine Nacktheit wieder in züchtige Blechgewandung zu hüllen. Kotflügel und Motorhaube verleihen ihm eindeutig mehr Würde. Zudem kommt noch, daß Wolfgang seinen Schützling wienert und poliert, als gelte es, ihn für das berühmte Automobilmuseum in Mülhausen zu einem Publikumsrenner zu trimmen. Welch ein Unterschied zu Jockls mattfarbenem Aussehen vor noch wenigen Wochen. Dafür ähnelt der »Kellerwolf« mehr denn je einem Werwolf, wenn er mit seiner aus dem Haarband gelösten Mähne, die sichtbare Lücke eines frisch gezogenen Zahnes zwischen dem Vollbartgewirr hervordunkelnd, in seinen allerübelsten Lumpen, mit rostigen Karosserieteilen unter den Armen aus dem gruftigen Kellerlicht heraufsteigt.
     
    13.03. 1997
    Zu mitternächtlicher Stunde tapsen zwei, von Schlaflosigkeit geplagte, Gestalten auf leisen Sohlen in die Garage. Jockls Halterung für die Transportkiste bereitet uns Kopfzerbrechen, ob die Konstruktion den Belastungen des ständigen Gerüttels, der Extrempassagen über Stock und Stein, dem Gewicht der Kiste samt unserem Hausrat, den 201-Benzin- und Wasserkanistern und obenauf noch meinen 50 kg Lebendgewicht gewachsen sein würde? Eine fraglich gute Idee für Verbesserungen jagt die andere, aber allesamt können uns nicht sonderlich überzeugen, vor allem mich nicht. Insgeheim beschließe ich - sicher ist sicher - für einen gekonnt perfekten Überschlag mit sanfter Abrolltechnik zu trainieren, sollte der ganze Kistenbau tatsächlich mal runterkrachen.
     
    15. 04. 1997
    Wolfgang hat kurzen Prozess gemacht und ist zu neuen Ufern abgewandert, wenn auch nur auf dem Papier. So hat er in good old Bavaria bei Hans und Inge seinen neuen Wohnsitz beantragt, um unserem im amtlichen Sinne immer noch staatenlosen Jockl endlich einen Heimathafen zu verschaffen. Österreich brilliert, wie so oft bei vermeintlich einfachen Formalitäten, mit aufwand- und kostenreicher Bürokratie, so daß wir uns aus Zeitknappheit genötigt sahen, der Einfachheit halber ins benachbarte Ausland auszuweichen. Jockl bleibt also auch weiterhin ein waschechter Bayer.
    Indessen wächst die Transportkiste zu erkennbaren Außenformen heran, und endlos wiederholte Überlegungen finden statt, an welcher Stelle diverses Reisegepäck am praktischsten und Platz sparendsten unterzubringen sei. Ein innerer Seufzer meinerseits läßt sich da kaum mehr unterdrücken. Wie sehr würde ich mir jetzt doch einen haselnußernen Stecken und ein daran baumelndes, geschnürtes Bündel loben. Denn trotz unserer Minimalausrüstung, im Vergleich zu manch mobilen Wohnpalästen, kämpfen wir immer mit Übergepäck. Wehe dem armen Tropf, der m diesem Falle das Schlichten hasst. Der eine oder andere Wutanfall, der mich beim hundertfachen Räum-dorthin, Stopf-dahin und Steck-hier-hinein heimgesucht hat, spricht Bände für eine bis dahin erreichte Grenze knurrigen Widerwillens, irgendetwas stapeln oder ineinanderschlichten zu müssen, das beim Entfernen eines einzigen Teiles daraus samt aller raffiniert verschachtelter Ordnung wie ein Kartenhaus zusammenbricht. Dann kann es oft von Vorteil sein, wenn ich nicht gerade einen Müllcontainer in meiner Nähe weiß, der den ganzen Krempel auf Nimmerwiedersehen schluckt. Aber
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