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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago
Autoren: Heide Fürböck
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unser erträumtes Abenteuer beginnen.
     

III. Im Sechs-Tage-Sprint nach Frankreich!
     
    Rund 34 Fahrstunden: Oberndorf- Forstern - München - Landsberg - Aitrach - Donaueschingen - Neustadt - Freiburg im Breisgau - Neuf-Brisach/Frankreich
     
    Eine gereizte Stimmung straft einen strahlenden Frühlingstag Lügen. Die Frist ist gesetzt: Bis Mittag müssen wir weg, wollen wir die knapp 100 Kilometer bis Forstern schaffen, um Hans’ und Inges Übernachtungsangebot nicht ausschlagen zu müssen - ein letzter Zivilisationsposten auf unserer Zelt- und Wiesentour.
    Wortkarg und spannungsgeladen wurschteln wir seit den frühen Morgenstunden mit unseren Ausrüstungspacken in die Garage runter, wo jeder von uns automatisch seinen Part der Arbeit übernimmt: Wolfgang schraubt und schleift noch, während ich die Kiste so effizient und systematisch wie möglich einzuräumen versuche. Gegen 11.00 Uhr zeichnet sich ab, daß wir unsere Abreise noch um weitere ein oder zwei Tage verschieben müssten, sollten wirklich alle Handgriffe am Jockl, im Keller und in der Wohnung getätigt sein. Unter Wolfgangs gefährlich gerunzelter Stirn dunkeln diabolische Blicke hervor: »Aus, mia foan! Wos net featig is, moch ma untawegs, und wos net geht, des brauch ma net!« Schraubenzieher und Hammer landen mit Geklingel in der Ecke und mit ein paar Links-Rechts-Beinschwüngen, die einen Gehweg ins Chaos frei schieben, gilt die Garage als aufgeräumt. - Kiste verriegelt, Wohnungstür zu, Garage zu - und Abflug!
    So flüchten wir regelrecht Hals über Kopf aus Oberndorf hinüber nach Laufen und nehmen Kurs auf Waging am See. Ungelogen sitze ich auf der Rückbank wie auf einem Pulverfass; mein Vertrauen in die Stabilität der Kistenhalterung läßt sich an Hand von Schweißausbrüchen nachvollziehen, die mich nach jedem kleineren Rummser über eine Unebenheit der Straße heimsuchen. Aber eine Probefahrt mit dem Traktor inklusive Kiste fanden wir auch diesmal für unnötig, getreu unserem jahrelangen Motto: Die Generalprobe für eine neue Reiseart ist auch schon der Urlaub - egal ob mit Fahrrädern, Trekkingrucksäcken oder Motorrad. Die eindeutige Vorliebe für solche Kopf-über-Aktionen begründet sich jedoch nicht in einem Sehnen nach dem Reiz des Unbekannten als vielmehr in einer ausnahmslos dilettantischen Terminplanung.
    Zwischen Waging und Traunreut pausieren wir an einer Waldlichtung. Während ich noch damit beschäftigt bin, erste Zweifel an der Durchführbarkeit unseres Vorhabens abzuwehren - eigentlich würde ich jetzt schon lieber nach Santiago laufen, als zu einem verkrampften Bangen auf dieser Folterbank verurteilt zu sein - beobachtet Wolfgang ein regelmäßiges Getröpfel ins Gras, genau unter dem Motor unseres Jockls. Ob diesen wohl auch der Angstschweiß plagt? Aber nein, er transpiriert nur Diesel. Auch das noch, das fängt ja gut an! So einfach Wolfgang den Defekt mit ein paar festzuziehenden Muttern beheben kann, so mühelos bewirkt dieses Intermezzo in mir einen unerwarteten Sinneswandel, denn plötzlich bin ich mir sicher, daß unsere »Traumtour« doch gelingen wird. Einen reibungslos verlaufenden Urlaub ohne Zwischenfalle und Hindernisse - wie langweilig - so etwas kennen wir doch gar nicht. Und waren wir nicht schon die ganzen Wochen zuvor drauf und dran, der Langeweile ein Schnippchen zu schlagen? Und genau in diesem Sinne werden wir weiteragieren, und Jockl wird seinen Teil pflichtbewusst dazu beitragen. - »Ois donn Jockl, auf gehts!«
    In Wasserburg füllen wir unseren Dieselverlust wieder auf. Außerdem statten wir der Stadtpfarrkirche zum Hl. Jakob einen Besuch ab, um unsere Pilgerreise, sozusagen von Anbeginn, unter das Patronat des Hl. Jakobs zu stellen; um alles andere versuchen wir uns selbst zu kümmern.
    Als wir gegen 19.00 Uhr vor dem Gastgarten des »Hirschenwirts« in Förstern eintrudeln, haben Hans und Inge die Wartezeit bereits mit einigen Halben ertränkt. Der Abend verspricht lang zu werden, und er wird es auch, da wir uns mehr als genug zu erzählen wissen. Weit nach Mitternacht fallen wir in die Federn, erschöpft auch durch den Schlafmangel der vergangenen Tage und träumen natürlich von Farben und Lacken, die niemals trocknen, und einer Kiste, die wir wie Treidelknechte an einem Seil hinter uns herziehen und einer anderen Kiste, welche immer aus der vorgesehenen Halterung rutscht, sobald der Traktor losfahrt. Auch im Traum bleiben wir noch immer Gefangene unserer Ängste und Bedenken.
     
    Anderntags
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