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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago
Autoren: Heide Fürböck
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darf: Der Bequemlichkeit wäre Genüge getan und diverse Strapazen hielten sich somit in Grenzen; außerdem wäre es wirklich mal ganz etwas anderes. Uns graut vor überfüllten Abfertigungshallen internationaler Flughäfen, klotzigen Wohnmobilen, Invasionen von poppigen Bikern und Massen von Wanderern auf den Pfaden und Klettersteigen Europas und der übrigen Welt. Ein schlichter, alter Traktor, das wär’ ein Hit! - Die Idee! - Das Abenteuer! - und trotz seiner Allbekanntheit ein wahrer Exot unter sämtlichen Reiseart-Alternativen.
    Diese verrückte Idee trieb nun mit rasanter Geschwindigkeit Wurzeln, Blätter und auch einiges Unkraut, welches sich bald durch nichts mehr aus unserer Vorstellung jäten ließ. Selbst zweimal je drei Wochen auf Schusters Rappen entlang Cornwalls Küste - zwei absolut einmalige Erlebnisse - schmälerten das Ausmaß unseres ständigen Liebäugeins mit dieser neuen Variante des Unterwegsseins nicht.
     
    Im Frühjahr 1996 war es dann soweit. »Durchs Redn kumman d’Leit zamm« und in der Folge wir beide zum 1. Eicher-Treffen in Unterunterach bei Wasserburg, das uns Hans und Inge, ebenfalls zwei unverbesserliche Traktornarren, nicht erst schmackhaft zu machen brauchten. Die Inkubationszeit zu unserem Traktorfieber währte zwar lange, aber jetzt brach es vollends aus. Eine stolze Kolonne ehrwürdiger Eicher-Veteranen tuckerte, rasselte, bollerte da in einem wahren nostalgischen Aufgebot entlang von Feldbegrenzungen, das unsere Augen vor Freude leuchten, unsere Traktorseelen Purzelbäume schlagen und unsere Stimmen sofort ein paar Dezibel höher fahren ließ, damit wir uns bei diesen chaotischen Tuck-tuck-Rhythmen unsere Begeisterung auch verständlich ins Gesicht schreien konnten. Einige dieser aus den Forsterner Eicher-Werken stammenden Methusaleme zeichnete ein stattliches Alter von 30,40 oder gar 50 Jahren aus. Und trotz teils ziemlich starker Rostauflagen, Lackschäden, Blechbeulen und der üblichen Verschmutzung war ihnen eine Aura von Würde kaum abzusprechen. Natürlich war auch die Bulldog-Hautevolee anwesend; perfekt restauriert, auf Hochglanz poliert und in Reih und Glied zur Parade aufgestellt, prangten sie in ihrem unverkennbaren Eicher-blau, ihren roten Felgen und der Aufschrift »Eicher-luftgekühlt« vorne an der Motorhaube um die Wette.
    Jedem dieser Traktorpersönlichkeiten mußte man schon einen eigenen Augenmerk schenken und versuchen - Laien, wie wir damals waren - die Blicke durch das Stangengewirr zu dirigieren und in Erstaunen auszubrechen, daß man auf so einfache und doch so komplizierte Weise etwas Fahrbares bauen konnte. Ein Gefährt, das selbst noch nach Jahrzehnten seinem Besitzer in unverbrüchlicher Kraft und Zuverlässigkeit ein unentbehrlicher Arbeitspartner ist. Die »Ehrwürdigen« schienen um ihre Vorzüge zu wissen, denn sie strahlten im selben Stolz wie ihre Besitzer, meist Bauern, darunter herrliche Typen, wie aus einem Heimatfilm entstiegen mit Barturwäldern im Gesicht und schrundigen Händen, die aussahen, als hätten sie halb Bayern umgegraben. Abstruse Käuze in filzigen Joppen und speckigen Hosen, die gewölbte, aus ungezählten Maßen und Seidln geschaffene Bäuche nur mehr in halben Leibesstrangulationen zu bändigen vermochten. Menschliche Originale, wie sie unsereins in dieser schrulligen Zusammensetzung nur mehr selten zu sehen bekommt.
    Außer diesen urständischen, aus der landwirtschaftlichen Praxis gewachsenen Eicher-Liebhabern gibt es noch die Fans, deren Interesse und Begeisterung irgendwann durch einen bestimmten Zufall ausgelöst wurde und sich zu einer Art Hobby auswuchs, welches dann genauso konsequent betrieben wurde und wird, wie meinetwegen Kegeln oder Eisstockschießen oder der sonntägliche Frühschoppen.
    Bei diesem Treffen erwiesen wir fast jedem Schlepper unsere Reverenz; auch eine Ehrenrunde auf Inges Traktor, einem 19er-Eicher, inmitten der Parade aller anwesender Bulldog trug letztlich noch zum Aufblühen unserer fiebrigen Eicher-Krankheit bei. Ein unvergesslicher Tag, zwar nicht unbedingt sonnig, eher kalt mit noch matschigen Wiesen eines vorangegangenen Regens, aber ein gelungenes Fest mit Weißwürsten und Blasmusik, jeder Menge Bier und drallen, flinken Kellnerinnen. Und das alles vor dem Hintergrund unentwegt dröhnigem Getuckers - Stunde um Stunde! Jedes Starten eines Traktors verglich ich in meiner nahezu kindlichen Freude mit dem Einhauchen von Leben in tote Materie, besonders wenn die teils Jahrzehnte alten,
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