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Mit einer Prise Glück und Liebe

Mit einer Prise Glück und Liebe

Titel: Mit einer Prise Glück und Liebe
Autoren: B O'Neal
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verabschieden sich. Die meisten der Türen zu den Krankenzimmern stehen offen und geben den Blick auf Patienten in unterschiedlichen Verletzungsstadien frei. Sie sehen fern oder unterhalten sich mit Freunden und Familie. Im Wartebereich spielen zwei Kleinkinder Verstecken, während die Mutter telefoniert. Sie sieht völlig erschöpft aus.
    Als wir uns Oscars Zimmer nähern, bleibt Katie plötzlich stehen. Sie presst sich die Hand auf den Bauch, ihr Atem kommt stoßweise. »Ich weiß nicht, ob ich das kann.«
    »Das musst du auch nicht.« Ich lasse ihre Hand los. »Wenn du noch nicht bereit bist …«
    In diesem Moment tritt eine Frau mit einem Bündel auf dem Arm aus einem der Krankenzimmer vor uns, und auch wenn ich ihr Gesicht nicht sehen kann, erkenne ich den typischen Stil meiner Mutter auf den ersten Blick – die perfekt gebügelte, ärmellose Bluse, weiß mit pfirsichfarbenen Biesen, pfirsichfarbene Caprihosen, und …
    Sie hat ein Baby auf dem Arm. »Mom!«, rufe ich reflexartig und lasse Jonahs Hand los.
    Lily dreht sich um. Einen Moment lang bleibt ihr der Mund offen stehen, dann breitet sich ein strahlendes Lächeln auf ihren Zügen aus. »Na, sieh nur, wer da ist«, erklärt sie dem Baby säuselnd. »Deine Oma.«
    Sie kommt zu uns herüber. Ich sehe auf den ersten Blick, dass es ein Junge ist – ein großer, kräftiger Bursche mit großen Händen und einem dichten Schopf schwarzer Haare. »Oh!« Mehr bringe ich nicht heraus, als sie ihn mir in die Arme legt. Sein Gesicht ist fleckig und leicht verquollen von den Strapazen der Geburt, aber sein Blick ist klar. Seine Augen haben exakt dieselbe Farbe wie Katies und Oscars. Er gähnt und sieht mich an, ruhig und völlig gelassen. Auf einen Schlag bin ich völlig verzaubert und falle neuerlich kopfüber in den Kaninchenbau der Liebe. Benommen stehe ich da, hebe den Kopf und blicke hilflos in Jonahs Gesicht. Er grinst von einem Ohr zum anderen.
    Atemlos beuge ich mich über das Baby und küsse seine Stirn. »Hallo, kleiner Mann. Wie heißt du denn?«
    »Marcus Gallagher Wilson«, antwortet meine Mutter. »Er wog 4473 Gramm.«
    Ich starre sie entsetzt an. »Wie bitte? Wie geht es meiner Tochter?«
    »Gut. Dieses Mädchen wurde fürs Kinderkriegen geboren, Ramona. Wir gehen gleich zu ihr.« Sie hebt die Hand und zieht Katie in unseren Kreis. »Komm her und sieh dir deinen Bruder an.«
    Mit der zappeligen, ungelenken Freude eines Teenagers tritt sie näher und beugt sich über ihn. »Oh«, ruft sie. »Er ist so niedlich!« Beim Klang ihrer Stimme wendet er abrupt den Kopf. Eigentlich können Babys noch keine Richtungen orten, aber er weiß, dass der Mensch, aus dessen Mund diese Stimme kommt, wichtig für sein Leben ist.
    »Er weiß, dass seine Schwester da ist.«
    »Seht euch seine Fingernägel an. Oh, und seine Handfläche!« Voller Ehrfurcht berührt sie ihn.
    »Er muss jetzt zurück zu seiner Mami«, sagt Lily und erklärt uns den Weg zur Entbindungsstation. »Kommt nach, wenn ihr fertig seid.«
    »Ist Oscar wach?«
    »Ja. Aber es darf immer nur ein Besucher zu ihm.«
    »Okay.«
    Katie sieht zur Tür.
    »Du bist seine Tochter«, sage ich. »Geh du.«
    Sie schluckt und streicht sich das Haar glatt. Dann öffnet sie die Tür.

EINUNDSECHZIG
    Katie
    D as Krankenzimmer ist nur schwach erleuchtet. Die einzige Lichtquelle ist der Fernseher in der Ecke, der läuft. Katies Herz hämmert so heftig, dass ihre Hände zittern. Sie ist den Tränen nahe.
    Ein Mann liegt unter der Bettdecke. Seine Arme und sein Kopf sind mit dicken Verbänden versehen. Er wendet den Kopf und sieht sie. »Katie-Schatz!« Seine Stimme ist noch immer dieselbe. Er klingt entsetzt.
    Sie steht an der Tür und weiß nicht, was sie tun soll. Es ist über ein Jahr her, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hat. Vor seinem Einsatzbefehl, der ihn in den Irak geführt hat. »Hi, Dad.«
    »Wie bist du denn hierhergekommen?«
    »Mit Ramona.«
    Es ist zu dunkel im Zimmer, um ihn richtig erkennen zu können. Katie steht wie angewurzelt da. »Hast du deinen Bruder schon gesehen?«
    »Ja. Er ist echt süß.«
    »Er sieht genauso aus wie du. Nur, dass du damals schon wie ein Mädchen ausgesehen hast. Er dagegen ist ein richtiger Rabauke.«
    Er klingt auch genauso wie früher. Ganz genauso. »Ich bin total sauer auf dich, Dad. Ich bin stinkwütend, weil du versucht hast, dich umzubringen«, platzt sie unwillkürlich heraus.
    »Komm her, Schatz.« Sein Tonfall lässt keine Widerrede zu. Gehorsam durchquert sie
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