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Mit einem Bein im Modelbusiness

Mit einem Bein im Modelbusiness

Titel: Mit einem Bein im Modelbusiness
Autoren: Lars Mario und Amend Galla
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recht, wie ich es formulieren sollte.
    » Ja?«
    » Da ist noch eine Sache.«
    » Was denn?«
    » Es ist wohl am einfachsten, wenn ich es dir zeige.«
    Ich setzte mich auf den Stuhl, auf dem schon mein T-Shirt und Pullover lagen, knöpfte meine Jeans auf und zog sie runter bis zu den Knöcheln. Christian schaute mich an, als wäre ich gerade mit einem kleinen Raumschiff direkt vor seiner Nase gelandet. Seine Blicke durchbohrten meine Orthese, sein Mund war geöffnet, und er sprach kein einziges Wort. Mir war klar, dass ich auf der Stelle das Ruder in die Hand nehmen und das Gespräch in eine positive Richtung lenken musste.
    » Okay, jetzt ist die Katze aus dem Sack!« Ich klatschte in die Hände und sprang hastig vom Stuhl auf. » Ich hab ein Handicap. Keine Ahnung, ob ihr damit was anfangen könnt oder ob euch das in unserer Zusammenarbeit einschränken könnte.«
    Christian sagte noch immer nichts.
    » Also, falls es noch eine Zusammenarbeit geben sollte«, fügte ich rasch hinzu.
    Schweigend und mit der Hand am Kinn, wohl um zu signalisieren, dass er gerade scharf am Nachdenken war, lief er dreimal begutachtend um mich herum.
    » Mario«, sagte er schließlich trocken, als er mit seinem Rundgang fertig war. » Was für eine abgefahrene Scheiße geht denn hier ab?«
    » Äh, mein rechtes Bein ist stark verkürzt, deswegen trage ich eine Prothese. Medizinisch korrekt müsste ich eigentlich Orthese sagen, aber das versteht irgendwie keiner, also sage ich meistens Prothese. Der Begriff ist wohl gängiger.«
    » Hmm«, murmelte er und fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare.
    » Aber ich kann alles damit machen«, schoss ich nach, in der Hoffnung, die Gedanken, die er sich schon zu machen begann, im Keim zu ersticken. » Hüpfen, rennen, Fußball spielen – alles kein Problem!«
    » Alles klar«, meinte er dann sehr entschlossen, die Hände an den Hüften. » Wenn du hier wieder mit einem Body aufschlägst, der mir gefällt, dann finden wir schon eine Lösung. Das kriegen wir hin.«
    » Echt jetzt?«, sagte ich verwundert. Damit hatte ich nicht gerechnet.
    » Die Welt ist groß, und die Kunden haben die unterschiedlichsten Wünsche. Vielleicht können wir dich platzieren, vielleicht nicht. Wie gesagt, falls wir dich nehmen.«
    Das klang fair.
    » Und jetzt zieh deine Hose mal ganz aus. Ich muss dieses Ding, äh, diese Orthese genau fotografieren, damit die anderen aus der Agentur auch wissen, worauf sie sich einlassen …«
    » … bevor sie entscheiden: Den nehmen wir, den behinderten Jungen!«, feixte ich.
    Christian begann zu lachen.
    » Das gefällt mir. Ich habe ein gutes Gefühl bei dir. Du hast Humor. Den wirst du in dieser Branche auch brauchen.«
    Puh! Der erste Schritt war getan. Es war richtig gewesen, direkt mit der Wahrheit rauszurücken und keinen Eiertanz aufzuführen, nur um den Gedanken an diese Fantasiewelt künstlich am Leben zu erhalten. Ich wollte ihnen gar nicht erst die Möglichkeit geben, mein Handikap als Ausrede zu missbrauchen, mich nicht zu nehmen, nach dem Motto: » Wie, Mario ist behindert? Warum hat der Junge das denn nicht gleich gesagt? In dem Zustand können wir den nicht gebrauchen!«
    Ich meine, eines Tages hätte ich die Karten ohnehin auf den Tisch legen müssen – also lieber früher als später. Trotzdem, ein bisschen Angst hatte ich schon vor diesem Moment. Ich hatte ja keine Ahnung, wie diese Modemenschen drauf waren und wie sie auf meine Orthese reagieren würden. Generell würde ich mich schon als jemanden bezeichnen, der keine Probleme mit seinem Selbstbewusstsein hat – im Gegenteil. Ich kann sehr genau einschätzen, was ich kann und was nicht. Doch hier bewegte ich mich auf einem mir völlig fremden Terrain. Ich fand mich plötzlich in einer Situation wieder, in der ich mich vor Menschen, zu denen ich vorher keinerlei Bezug hatte, buchstäblich nackt machen musste.
    Ich machte mich angreifbar, etwas, dass ich mein ganzes Leben lang immer vermieden hatte, und musste nun damit rechnen, Ablehnung und Zurückweisung zu erfahren. Aber dieses Risiko muss jeder irgendwann eingehen, wenn man nicht auf der Stelle treten will. Wie sagten es schon EPMD , eines der coolsten Rap-Duos aller Zeiten, so treffend: It’s like lotto. You have to be in it, to win it.
    Mein neuer Body
    In den kommenden vier Monaten hieß es für mich trainieren, trainieren, trainieren, wobei ich mich fast ausschließlich auf meine Ausdauer konzentrierte. Ich zog das volle Programm durch und musste
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