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Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)

Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)

Titel: Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)
Autoren: Jürgen Schmieder
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die Regelungen der Grünanlagensatzung werden mit Geldbußen geahndet. Die Einhaltungen der Schutzbestimmungen werden von der Anlagenaufsicht, einem beauftragten Sicherheitsdienst und der Polizei überwacht.«
    Ich habe meinen Geburtstag dann auf unserem Balkon gefeiert.
    Deutschland ist ein Verbotsland. Verbieten und Bestrafen gehören zum Katechismus des Zusammenlebens.
    Das liegt nicht zuletzt am nicht zu unterschätzenden Einfluss, den die beiden christlichen Kirchen immer noch auf die deutsche Gesellschaft haben. Die Menschen gehen zwar kaum noch in die Kirche, doch das Prinzip von Schuld, Sühne und Bestrafung ist nach wie vor präsent. Das habe ich schon bei meinem Projekt, verschiedene Religionen zu testen, mehr als deutlich bemerkt. Schuld ist die Unique Selling Proposition des katholischen Glaubens. Der Priester sagt zu Beginn eines Gottesdienstes: »Wir müssen Buße tun und umkehren.« Er sagt nicht: »Wir sind auf dem richtigen Weg, lasst uns einfach weitergehen.« Er sagt auch nicht: »Schön, dass Sie heute hier sind.« Er sagt lieber: »Ach herrje, die Kirchen werden immer leerer – die laden alle Schuld auf sich. Ihr seid alle Sünder.«
    Kein Pfarrer versprach mir jemals: »Wenn Sie das so und so machen, dann kommen Sie in den Himmel.« Sie drohten lieber: »Wenn du das machst, dann kommst du in die Hölle.«
    Das Christentum ist eine Verbotsreligion. Es darf nicht hinterfragt werden, ob ein Verbot Sinn macht oder nicht – es ist einfach so. Und das Totschlagargument ist natürlich, dass der Sünder nicht nur im Diesseits bestraft wird, sondern dass auf ihn bei genügend Verstößen die ewige Verdammnis wartet. Wer braucht schon Argumente, wenn er seine Verbote mit der Androhung von Höllenfeuer untermauern kann? Wenn Argumente fehlen, kommt meist ein Verbot heraus.
    Man muss sich nur einmal umsehen. Mehr als 20 Millionen Verkehrsschilder gibt es in Deutschland, die den Menschen im Straßenverkehr befehlen: Fahr bloß nicht zu schnell! Bieg nur ja nicht nach links ab! Lass dein Auto nicht hier stehen! In der deutschen Straßenverkehrsordnung sind neben 53 Paragrafen auch 684 verschiedene Verbots- und Hinweisschilder vermerkt. Schild Nummer 17 ist ein Pferd mit Reiter auf einem blauen Kreis, Nummer 9 ist rotes Dreieck, in dem ein Fähnchen zu sehen ist. Es gibt auch eines, auf dem ein Auto in einen Fluss fällt.
    Die ersten Verkehrsschilder in Deutschland gab es im Jahr 1910. Auf einer internationalen Konferenz ein Jahr zuvor in Paris wurde angeregt, gefährliche Passagen durch sogenannte Warnungstafeln zu kennzeichnen. Es waren runde Zeichen mit blauem Hintergrund und weißer Farbe – und ein genialer Mensch kam gar auf die Idee, diese Schilder mit Werbung zu versehen. So sah etwa ein Schild im Jahr 1925 aus:

    Das Schild warnte vor einer kurvigen Strecke und warb ganz nebenbei noch für den Hessischen Automobil-Club in Darmstadt. Erst 1927 wurden die Warnungstafeln durch Verkehrszeichen ersetzt, wie wir sie heute an jeder Straße sehen müssen. Einige davon in der gleichen Ausführung wie 1927.
    Ich habe nach Durchsicht aller Verkehrsschilder meine fünf Lieblinge gekürt. Hier sind sie:

    Das bedeutet nicht: »Wer sein Auto irgendwo hinauffährt, möge es bitte schön wieder herunterfahren.«
    Es bedeutet: »Parken auf Gehwegen quer zur Fahrtrichtung (Ende).«

    Das bedeutet nicht: »Vorsicht! Skifahrer kreuzen die Fahrbahn!«
    Es bedeutet: »Wintersport erlaubt!« Wobei ich dann doch für mich entschieden habe, dass ich lieber nicht auf einer Straße fahren möchte, auf der ich jederzeit damit rechnen muss, von einem Skifahrer überholt zu werden – oder noch schlimmer: von einem Snowboarder übersprungen zu werden.

    Das bedeutet nicht: »Zu langsam fahrende Fahrzeuge dürfen beschossen werden.«
    Es bedeutet: »Ab hier nur militärische Fahrzeuge!«
    Also übersetzt: »Leute, ab hier beginnt der Krieg!«

    Das bedeutet nicht: »Dieses Fahrzeug kann übers Wasser fahren.«
    Es besagt: »Streckenverbot für Fahrzeuge mit wassergefährdender Ladung.«
    Was allerdings der Satz »Streckenverbot für Fahrzeuge mit wassergefährdender Ladung« bedeutet, das weiß nicht einmal mehr der Erfinder des Schildes.

    Das bedeutet nicht: »Eine Straße, viele Bäume – ja, das ist eine Allee!«
    Es bedeutet: »Eingeschränktes Lichtraumprofil durch Bäume!«
    Gott segne den Menschen, der das Wort »Lichtraumprofil« ersonnen hat, er möge ihn alleine dafür in den Himmel aufnehmen.
    Durchschnittlich steht
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