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Mit der Hoelle haette ich leben koennen

Titel: Mit der Hoelle haette ich leben koennen
Autoren: Daniela Matijevic
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seelischen Verletzungen dieser »Kriegsveteranen« - diesen Terminus gebraucht natürlich keiner - fragt niemand.
    »Ein Veteran ist ein ehemaliges Mitglied einer Streitkraft, der in einem Einsatz gedient hat, in dem kriegsähnliche Zustände geherrscht haben.« Diese Definition stammt von Jos Weerts, einem Mitarbeiter des Veteraneninstituts in Doorn, Niederlande.
    Der demokratisch gesinnte, juristisch fundiert informierte Deutsche mag mit dieser Definition hadern, denn offiziell hat sich die Bundeswehr an keinem Krieg beteiligt, geschweige denn einen Krieg unterstützt.
    Doch wenn ich als Soldat in ein Land komme, in dem ich Tag und Nacht eine schusssichere Weste tragen und permanent damit rechnen muss, überfallen oder beschossen zu werden, wenn ich mich nicht frei und schon gar nicht allein bewegen darf, weil die Gefahr eines Anschlags zu groß ist, dann befinde ich mich im Krieg.

    Deutschland sendet seit 1992 seine Soldaten zu Einsätzen in der ganzen Welt aus. Auch heute werden Kontingente in der Stärke von dreitausendsechshundert Soldaten losgeschickt - wie damals bei mir im Kosovo. Wenn ich von diesem Richtwert ausgehe - seit 1999 bekommen diese dreitausendsechshundert Soldaten ihren Marschbefehl für den Auslandseinsatz - und ich zudem berücksichtige, dass die Kameraden dann und wann durchwechseln, dann komme ich - nach vorsichtiger Schätzung - auf mehr als siebentausend Veteranen pro Jahr. Siebentausend Männer und Frauen, die ihren Auftrag im Namen der NATO, der UNO oder anderer Organisationen ernst genommen, die gekämpft und sich, wo und wie auch immer, versehrt haben.
    Als »verwundbar« gilt bei der Bundeswehr nur der Körper, nicht aber die Seele. Doch ich weiß ganz genau, wie falsch diese Einschätzung ist.
    Noch immer müssen Soldaten hierzulande für Grundrechte kämpfen, die sogar in weniger demokratischen Ländern selbstverständlich sind. Stirbt beispielsweise ein Bergmann bei der Ausübung seiner Pflicht, so ist das ein tragischer Dienstunfall, der Mitleid und Respekt erfährt. Fällt dagegen ein Soldat im Auslandseinsatz, heißt es nicht selten: Selber schuld, warum hat er sich auch beim Bund verpflichtet?!
    Dieser Satz, den ich seit meiner Rückkehr unzählige Male anhören musste, bringt mich jedes Mal in Rage.
    Für all jene Soldaten, die schwer traumatisiert von einem Auslandseinsatz zurückkehren, weil sie in anderen Breitengraden und Kulturen Dinge erlebt haben, die sie in ihrem satten, angepassten Leben in Deutschland nie hätten erdulden müssen, klingt dieser Satz wie blanker Hohn. Und sollten sie mal offen berichten, wie schlimm die Kriegserlebnisse für sie waren, werden diese Soldaten oft genug zur Raison gerufen:
    »Stell dich nicht so an!«

    »Schwächling!«
    »Reiß dich gefälligst zusammen!«
    »Jetzt übertreib mal nicht so!«
    Wieso ist es den Menschen in diesem Land nicht möglich, mir als Soldatin Respekt zu zollen - für den Mut, in den Einsatz zu gehen, aber auch für die Geduld, den Einsatz zu überstehen, und für den Ehrgeiz, anschließend irgendwie damit zu leben? Wieso ist es ihnen nicht möglich, mir und meinen Kameraden auf die Schulter zu klopfen und uns zu sagen, dass wir uns nicht zu schämen brauchen?
    Warum scheint es hierzulande den Ewiggestrigen, die, leer in Herz und Hirn, rechte Parolen brüllen, vorbehalten zu sein, von »Stolz« zu sprechen und Stolz zu äußern?
    Man ist nicht automatisch rechts, nur weil man ein Veteran ist.
    Ja, ich bin stolz darauf, mit wundervollen, mutigen Männern und Frauen gedient zu haben, die jederzeit offenen Auges, vor allem aber offenen Herzens für mich und alle anderen Kameraden in den Tod gegangen wären. Wir waren uns näher als so manche Familienmitglieder es einander sein können. Wir hielten uns gegenseitig fest, wenn sich einer von uns in den Schlaf weinen musste. Wir salutierten, schoben Totenwache vor den Kühlcontainern und erwiesen Kameraden aus den eigenen Reihen die letzte Ehre, die wir in Zinnsärgen nach Hause schicken mussten.
    Seit unserer Rückkehr müssen wir mit der Verachtung der Menschen leben, nur weil sie keine Ahnung davon und auch kein Interesse daran haben, was wir erlebt haben. Das tut weh.
    Dass Ärzte mittlerweile allergisch auf mich reagieren, weil sie mir nicht helfen können, damit lebe ich. Dass die Allgemeinheit denkt, ich sei an meiner misslichen Lage selbst schuld, das nehme ich hin. Dass ich finanziell seit Jahren am Existenzminimum lebe, das verkrafte ich irgendwie. Aber dass
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